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Move It 2. Teil

5 Betreuungsangebote

5.1 Einzeltherapie

Entscheidend und primär ist im diagnostisch-therapeutischen Prozeß die Beziehung zwischen der Persönlichkeit des Klienten oder der Klientin und des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin. Diesen Rapport herzustellen und zu erhalten, ist die vordringlichste Aufgabe in der Einzeltherapie.

Das Leitziel der Einzeltherapie ist neben konkreten Hilfestellungen die Befähigung des Klienten oder der Klientin, die unbewußten Determinanten der aktuellen Konflikte und Symptome, deren genetische Herkunft und strukturellen Hintergrund zu erkennen, die blockierte Selbstentfaltung nachzuholen und damit zu reiferen Verarbeitungen zu finden.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen begreifen die Symptombildung als eine Kompromißlösung zwischen verdrängten unbewußten Triebregungen und ihnen entgegenwirkenden Abwehrmechanismen. Mit Hilfe der Deutung wird der unbewußte Konflikt zwischen Triebregung und Abwehr bewußt gemacht. Im Verlauf der Einzeltherapie äußern sich die verdrängten Triebregungen und die ebenfalls größtenteils unbewußte Abwehr in der Übertragung zu dem Mitarbeiter oder zu der Mitarbeiterin. Die Übertragung ist weitgehend eine unbewußt agierte Wiederholung früherer Konflikte mit Elternfiguren und wird schließlich zum hauptsächlichen Widerstand. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen machen den Widerstand gegen die Übertragung und gegen die Auflösung der Übertragung durch die Deutung des Widerstandes bewußt. Die Übertragungsbeziehung wird „durchgearbeitet“. Dabei beziehen sie sich sowohl auf verbale, als auch auf nonverbale Äußerungen des Klienten oder der Klientin.

Dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin stehen verschiedene Interventionsformen zur Verfügung:

  • In der Konfrontation stellt sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dem Klienten oder der Klienten gegenüber und beschreibt ihm oder ihr seinen oder ihren Umgang mit sich.
  • Durch eine Klärung kann der Klient oder die Klientin eine gerade abgelaufene Situation noch einmal Revue passieren lassen und sich den Ablauf vergegenwärtigen.
  • Die Deutung muß zum richtigen Zeitpunkt und wohl dosiert angewendet werden, um die Angst- und Frustrationstoleranz des Klienten oder der Klientin nicht zu überfordern. Sie setzt deshalb am Widerstand gegen die Behandlung an. Zuerst zeigt der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin dem Klienten oder der Klientin daß, dann wie, und zuletzt erst was (Inhalt) er oder sie abwehrt.

In der therapeutischen Beziehung überträgt der Patient aus früheren Erfahrungen stammende Erlebens- und Verhaltensmuster auf die jetzige Situation. Dies ist nicht ein einfaches Miteinbeziehen der früheren Erfahrungen sonder: „Es handelt sich vielmehr um ein spezifisches Phänomen, nämlich die Tendenz zur Wiederbelebung früherer Beziehungsmuster aus dem Bedürfnis heraus, unerledigt gebliebene infantile Wünsche und Sehnsüchte zu befriedigen, unerledigte Konflikte zu lösen oder aufsteigenden Ängsten vorzubeugen“.

Durch eine wohlwollende und zugewandte Gefühlshaltung des Mitarbeiters oder Mitarbeiterin können die auftretenden Widerstände, die aus Angst vor der Regression entstehen, bearbeitet werden und so den Weg zum Durcharbeiten der früheren Erfahrungen und Konflikte frei machen. Der Klient oder die Klientin kann seine oder ihre infantilen Wünsche und Sehnsüchte, Ängste und Konflikte noch eimal in der sicheren therapeutischen Beziehung erleben. Korrigierende emotionale Erfahrungen werden möglich. „Der Therapeut muß während dieses Prozesses den Patienten halten, tragen, unterstützen und sich ihm zur Verfügung stellen. (Man vergleicht diese Funktion des Therapeuten mit der „holding funktion“ der Mutter.) Der Patient muß spüren, daß der Therapeut nachempfindet, daß er weiß, was für ein Schmerz das ist. Aber noch wichtiger ist, daß der Patient weiß: Sein Therapeut ist trotzdem zuversichtlich und der festen Überzeugung, daß man durchkommen kann und wird“.

Die Einzeltherapie kann aber auch nur auf bestimmte entwicklungspathologische Phänomene focussiert werden. Eine spezifische therapeutische Wahrnehmungsausrichtung, die diagnostische Erfassung und eine haltend-schützende Elterlichkeit regt die Nachreifung unterentwickelter Ich-Funktionen und die Behebung interaktioneller sowie interpersoneller Schwierigkeiten an. Dabei steht das Erkennen des Defizits und dessen pathologischen Ursprungs sowie die Kompensation der Ich-Schwäche in (aktuellen) Beziehungen im Vordergrund. Durch das Erkennen der Nachteile des Kompensationsverhaltens und durch den Modellcharakter einer neuen, reiferen Beziehung zu dem Mitarbeiter oder zu der Mitarbeiterin kann der Klient oder die Klientin zu einer Nachreifung motiviert werden. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin steht während der Auseinandersetzung mit dem beschämenden und demütigendem Erleben der eigenen Unzulänglichkeit stützend (Hilfs-Ich) zur Seite. Abschließend soll Geduld und Frustrationstoleranz gegenüber Rückschlägen erlernt werden. Dabei ist das entscheidende Wirkprinzip das „Prinzip Antwort, das sich vom Prinzip Deutung der klassischen psychoanalytischen Verfahren dadurch unterscheidet, daß der Behandler als Dialogpartner zur Verfügung steht. Er drückt eigene Gefühle selektiv aus, macht normative Vorschläge, bestätigt Lernschritte, bietet ein Modell für reifere Interaktionen und regt zu einer Libidinisierung sozialer Austauschprozesse an“.

Bei Klienten oder Klientinnen mit frühen Störungen kann in der Einzeltherapie auf die Überlegungen zu einer psychoanalytischen Psychotherapie von Kernberg zurückgegriffen werden. Dieser geht in seinem objektpsychologischen Ansatz davon aus, daß bei früh gestörten Klienten oder Klientinnen die Errichtung von vollwertigen Selbst- und Objektrepräsentanzen nicht gelungen ist. Diese Spaltung in archaische Teil-Selbst und Teil-Objektrepräsentanzen wiederholt sich in der Übertragungsbeziehung. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiter wird in einen extrem aggressiven und einen extrem idealisierenden Teil gespaltet. Erst wenn durch die Deutung dieses Phänomens die Integration der beiden Seiten zu reiferen, ambivalenten und ganzen Selbst- und Objektrepräsentanzen gelungen ist, kann auch die Deutung von früherem Erleben mit einbezogen werden. „Vorrangig die Deutungen im Hier und Jetzt und erst später die Deutungen im Dort und Damals, zusammen mit der Berücksichtigung der aktuellen Konflikte im gegenwärtigen Leben des Patienten, stärken wichtige Ich-Funktionen des Patienten, seine selbstbeobachtenden, selbstkontrollierenden Fähigkeiten im Umgang mit seinen primitiven Abwehrmechanismen, so daß es allmählich zu einer Integration des Selbstbildes der Objekte, der Affekte, der (vermeintlichen) Bilder und Erwartungen, die andere vom Patienten haben, kommen kann und damit reifere Objektbeziehungen möglich werden“

5.2 Gruppentherapie

Gruppentherapie ist die Therapie des Einzelnen in der Gruppe und die Therapie der Gruppe als Ganzes. Alles, was in der Gruppe geschieht ist sowohl Ausdruck der Gruppe wie auch der Individuen die diese bilden.

In Anknüpfung an die Theorie der Objektbeziehungen gehen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „MOVE IT“ davon aus, daß jeder Mensch bis in seinen Kern durch die Gemeinschaft bestimmt ist. Die Gesellschaft ist sowohl innerhalb, wie auch außerhalb des Individuums. Die Gruppe hat an den intrapsychischen Vorgängen im Sinne des kollektiven Unbewußten von C. G. Jung Anteil.

Alle psychologischen Gruppenprozesse sind multipersonaler Natur und müssen in Beziehung zu der maßgebenden therapeutischen Situation als Ganzes gesehen werden müssen. Dabei werden alle beobachteten Daten als Kommunikation im Hinblick auf den Gruppenkontext gesehen. Das Konzept der freien Gruppenassoziation, das Figur-Grund-Konzept und die Pflege einer interpretativen Kultur hat sich in der Gruppentherapie bewährt. All diese Prozesse können in der Gruppe als Ganzes, dem interpersonellen und dem intrapsychischen Bereich beobachtet werden und sind immer all das zur gleichen Zeit.

Konflikthafte Beziehungsmuster zeigen sich in den multilateralen Interaktionen, den Abwehr-, Übertragungs- und Verhaltensreaktionen der Gruppenmitglieder untereinander und in Bezug auf die Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen.

In der Gruppentherapie gilt die Grundregel alles auszusprechen, was einem gerade in den Sinn kommt. Widerstand und Abwehr zeigen sich in Verzerrungen, Hemmungen und anderen Kommunikationsstörungen und werden von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen entsprechend gedeutet. Ebenso ist die Regression in den unterschiedlichen Interaktionen und Beziehungsformen enthalten.

Die Gruppentherapie hat das Ziel, eine größere innere Freiheit des Individuums und die Entwicklung seiner Persönlichkeit zu fördern. Dies wird durch die Identifizierung, die Teilnahme, das Zugehörigkeitsgefühl, das Angenommensein und die aktive Beteiligung aller Gruppenmitglieder ermöglicht.

Neben dem oben beschriebenen gruppenanalytischen Ansatz bietet sich das Psychodrama, welches die Klienten und Klientinnen nonverbal und erlebnisorientiert zu einem szenischen „acting out“ anregt, als Methode der Gruppentherapie bei „MOVE IT“ an. Dabei kann Vergangenes wiedererlebt, Gegenwärtiges gespielt oder Zukünftiges vorweggenommen werden. Solidaritäts- und Konkurrenzerfahrungen werden ebenso wie wechselseitige Lernprozesse möglich. Als aktivierende Methode regt das Psychodrama zur Übernahme von Verantwortung für sich und andere an. Durch ein Höchstmaß an emotionalem Erleben läßt sich der Widerstand gegen verdrängte Anteile reduzieren. Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin kann Übertragungsprozesse aufdecken und bearbeiten, ohne daß er oder sie selbst involviert ist.

In einer Art Stehgreiftheater übernehmen und spielen die Klienten und Klientinnen frei gewählte Rollen, wodurch die individuellen Symptome und deren Ursachen im sozialen Kontext der Gruppe sichtbar werden. Mit Hilfe verschiedener Techniken wie Rollenwechsel, Doppeln, Leerer Stuhl und Spiegeln werden die Konflikte des einzelnen oder der Gesellschaft nicht allein verbal abgehandelt, sondern mit verteilten Rollen in Szene gesetzt. Einmal Erlebtes oder in die Zukunft hineingedachtes, konflikthafte Phantasien oder Träume können spontan und konkret dargestellt werden. Spontaneität und Kreativität werden gefördert, der affektive Entlastungseffekt (Katharsis) kann zur Heilung beitragen. In der spielenden Beschäftigung mit bestimmten Themen können Lern- und Erkenntnisprozesse initiiert werden. Körperlichkeit und Emotionalität können im psychodramatischen Spiel vollständig und nicht im Gegensatz zu Geist und Vernunft stehend erlebt und daher ohne Widerstand angenommen werden. Konflikt- und Beziehungsfähigkeit kann geübt und wie überhaupt jedes Verhalten auf seinen Realitätsbezug hin erprobt werden.

Die Gruppe ist über all dies hinaus aber auch der Ort, an dem organisatorische Angelegenheiten besprochen werden und die Selbstorganisation der Strukturen zu konkreten Ergebnissen in Form von Regeln führt.

Neben aktuell anstehenden Fragestellungen werden unterschiedliche Informationen und Bezugssysteme zur Symptomatik der Gruppenmitglieder hergestellt. Dabei wird der Begriff und die Bedeutung von Abhängigkeit als ein universelles und ganz natürliches Phänomen von Leben und von Lebewesen dargestellt. Um diese Terminologie erlebbar zu machen, wird grundsätzlich zwischen unvermeidbaren und vermeidbaren Abhängigkeiten unterschieden. Desweiteren werden die unterschiedlichen Aspekte der Abhängigkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen, von Stoffen sowie von Handlungsstrukturen beleuchtet und in übergreifende Sinnzusammenhänge eingeordnet. Dadurch kann ein entspannteres Verhältnis zur eigenen Abhängigkeit erlangt werden.

5.3 Familientherapie und Beziehungsberatung

Die Klienten und Klientinnen von „MOVE IT“ können Angehörige, Partner, Partnerinnen, Freunde oder Freundinnen zu einem Beziehungsgespräch im Beisein eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin einladen. In diesem Rahmen können

  • Interaktionsprobleme mit dem sozialen Umfeld therapeutisch bearbeitet,
  • Beziehungen geklärt,
  • Kränkungen verarbeitet und
  • neue gemeinsame Perspektiven entwickelt werden.

Dabei steht der Aufbau von gegenseitigem Interesse, Verstehen, Unterstützen, Bestärkung und von neuen Kontaktformen im Vordergrund.

Nicht immer ist die Harmonisierung der Beziehung übergeordnetes Ziel. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen legen großen Wert darauf, die Partner und Partnerinnen damit vertraut zu machen, daß sie auch etwas für sich selbst tun und sich selbstständig entwickeln müssen.

Weitere familientherapeutische Maßnahmen können im Einzelfall vereinbart werden. Vor allem bei Jugendlichen ist eine starke Integration von zentralen Bezugspersonen in die Therapie angezeigt.

5.4 Erlebnistherapie

Unter Erlebnistherapie läßt sich das Erleben von legalen Kicks und von Glücksgefühlen ebenso wie das Finden konkreter Alternativen zur Droge subsumieren. Übergeordnetes Ziel aller erlebnistherapeutischen Angebote ist die Sinnfindung in einem Leben ohne Drogen.

Davon ausgehend, daß jeder Mensch in seiner Arbeit, seinen Beziehungen und in seiner Freizeit Befriedigung erlebt und dieses Erleben durch frühe Schädigungen oder durch den langandauernden Konsum psychotroper Substanzen bei Abhängigen gestört ist, muß die Drogenhilfe befriedigende Antworten auf die Sinnfrage anbieten und den oder die Abhängige dazu befähigen, selbst wieder Spaß, Befriedigung und Sinn an einem drogenfreien Leben zu erleben.

Jeder und jede Drogenabhängige kennt zum einen die euphorisierende und zum anderen die entspannende und angstmindernde Wirkung psychotroper Substanzen. In diesem Zusammenhang läßt sich Abhängigkeit einerseits als Streben nach Euphorie, andererseits als Vermeiden von dem Erleben von Sinnlosigkeit und innerer Leere verstehen. Der letztlich immer wieder fehlschlagende Versuch, eine anfänglich durch den Konsum von Drogen erlebte Euphorie erneut zu erleben, führt ebenso wie die immer stärker werdende Angst vor dem Wiedererleben eigener Defizite, zu dem bekannten Phänomen des Wiederholungszwangs.

Das Prinzip der Erlebnistherapie greift die Sehnsucht nach euphorisierenden Erlebnissen und die Suche nach sinnstiftenden Alternativen zur Droge auf. Durch natursportliche Tätigkeiten, Interaktionsübungen und Projektarbeit vor der Haustüre oder am anderen Ende der Welt wird der ganze Mensch angesprochen, kann er oder sie Vertrauen zu sich und zu anderen finden und sich seiner oder ihrer Umwelt wieder bewußter werden. Ängste können abgebaut und bewältigt werden, er oder sie kann lernen sich anzuspannen und wieder zu entspannen und seine oder ihre Wahrnehmungsfähigkeit trainieren. Durch Grenzerfahrungen kann das Leben intensiviert, kann Unflexibles flexibel gemacht, und kann das Einlassen auf neue Situationen gefördert werden. Dabei werden soziale Gruppenprozesse ermöglicht und Probleme kreativ im Spannungsfeld von Handeln und Nachdenken gelöst. Die Erlebnistherapie verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, in dem sie einerseits persönlichkeitsorientierte Ziele verfolgt und andererseits für den Klienten oder die Klientin Handlungs- und Regulationsmöglichkeiten für eine positive Lebensgestaltung im sozialen Umfeld vermittelt. In dieser Form konfliktorientierter Gruppenarbeit treten als auffällig anzusehende Verhaltensweisen und Eigenschaften häufig viel deutlicher zum Vorschein als in alltäglichen Situationen. So können Konflikte und Probleme, die am eigenen Leib spürbar und greifbar sind, konkreter erfahren und weiter bearbeitet werden.

Erlebnistherapeutische Aktionen bieten konkrete Hilfestellungen bei der Verhaltensänderung und der Entwicklung von Handlungsalternativen an. Ängstlichkeit kann durch die Überwindung einer Schonhaltung und des Aufbaus einer größeren Risikobereitschaft abgebaut, das Selbstgefühl durch die Wiedergewinnung von Vertrauen in die physische und psychische Leistungsfähigkeit und andere Personen gesteigert und Aggressionen durch einen konstruktiven Umgang mit Konflikten abgebaut werden.

Nach jeder erlebnistherapeutischen Aktivität werden die gemachten Erfahrungen gemeinsam aufgearbeitet und deren Umsetzung in die Realität und den Alltag besprochen. Erlebnispädagogische Interaktions- und Initiativübungen ermöglichen in der Vertiefung und Nachbereitung vielfältige Möglichkeiten, um die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sowie -bereitschaft in das reale Leben zu integrieren.

In der Initialphase werden neue Klienten und Klientinnen dazu motiviert, sich an erlebnistherapeutischen Angeboten wie Klettern oder Rafting zu beteiligen. Hierbei können sie, ohne den Einsatz großer persönlicher Leistung, eigene Grenzen, bislang verborgene Gefühle von Angst und Erfolg sowie legale Kicks erstmals erleben. Aufgrund der extremen Situation fällt es den Klienten und Klientinnen leicht, die Existenz eigener Grenzen sich selbst und anderen gegenüber einzugestehen und das Gefühl von Angst auszudrücken. Trotz der starken Bezogenheit auf die eigene Person bleibt bei diesen Aktivitäten der Gruppenkontext, in dem das Erleben solidarisch geteilt werden kann, bestehen.

Im weiteren Verlauf bietet „MOVE IT“ zahlreiche erlebnistherapeutische Aktivitäten wie Snowboarding, Radwanderungen, Hochgebirgstouren oder Skiwandern an. Diese Angebote setzen viel persönliches Engagement voraus. Das selbstversorgende Leben in einer kleinen Hütte oder unter freiem Himmel ermöglicht durch das Medium der konkreten Aktion neue körperliche, psychische oder spirituelle Erfahrungen. Dabei werden die Grenzen jedes Einzelnen sichtbar und erlebbar, Vertrauen zueinander wird möglich und Anforderungen an die Gruppe oder jeden Einzelnen können solidarisch gemeistert werden. Die Kraft und die Schönheit von Naturlandschaften kann von den Teilnehmern und Teilnehmerinnen als häufig neue und gemeinsame Erfahrung aufgenommen werden. Glücksgefühle werden durch das objektiv überprüfbare Erreichen eines vorher genau definierten Ziels unter dem Einsatz von Leistung erlebt. Daher ist das Prinzip "Leistung" der Erlebnistherapie evident. Die Fähigkeit zu Toleranz, sich durchzusetzen, Kompromisse zu schließen sowie eigene und Grenzen von anderen zu respektieren kann entwickelt und trainiert werden. Im Spannungsfeld von Individualität und Gruppe wird Sozialverhalten und Leistungsbereitschaft erlernt. Solche Aktivitäten stabilisieren darüber hinaus das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen der Teilnehmer und Teilnehmerinnen.

Gänzlich fremde Lebensbereiche und -formen werden durch die Erlebnisphase erschlossen. Neben dem weiter oben beschriebenen Erleben von legalen Kicks und von Glücksgefühlen steht bei diesen erlebnistherapeutischen Angeboten das Individuum als solches und im Kontext zu seiner Umgebung im Vordergrund. Durch die katalysierende Wirkung dieser Angebote werden persönliche Stärken und Schwächen sehr schnell sichtbar und können in der Auseinandersetzung mit einer anderen Lebenswirklichkeit in das Erleben der eigenen Persönlichkeit integriert werden.

Alle erlebnistherapeutischen Aktivitäten dienen dem „Leben als Erleben“ und sollen Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Genußhaftigkeit, Spaß sowie Sinnfindung vermitteln. Abhängigkeit ist eine Krankheit, die schwer zu behandeln ist, bei der es aber Erfolgschancen gibt. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „MOVE IT“ müssen vor allem deutlich machen, daß ein gesundes, drogenfreies Leben mehr Genuß vermittelt als jeder kurzfristige Kick durch psychotrope Substanzen.

5.5 Private Arbeit

Die Klienten und Klientinnen sind für die Sauberkeit, Wartung, Instandhaltung und Renovierung ihres Lebensraumes selbst verantwortlich. Alle mit dem Leben in der Gemeinschaft, zusammenhängenden Arbeiten und Aufgaben (Waschen, Kochen, Einkaufen, Putzen) werden von den Klienten und Klientinnen erledigt. Diese alltagsnahe Form der Arbeitstherapie ist zielgerichtet, nicht ablenkend-beschäftigend, wird als Teil der beruflichen Rehabilitation und Resozialisation angesehen und ermöglicht das Entwickeln und Realisieren von beruflichen Perspektiven.

Ehemals drogenabhängige Männer und Frauen verfügen häufig über keine abgeschlossene Schul- oder Berufsausbildung. Ihre Arbeitserfahrungen sind unregelmäßig und von Wechseln, Abbrüchen sowie abnehmender Leistungsfähigkeit geprägt. Durch diesen Desintegrationsprozeß ging die Fähigkeit und Motivation zur Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld verloren.

Durch arbeitstherapeutische Maßnahmen wird der Alltag sinnvoll ausgefüllt und gestaltet. So wird die Notwendigkeit der Strukturierung des Tagesablaufs vermittelt und wird Selbstvertrauen sowie Motivation gefördert. Wo der Gebrauch psychotroper Substanzen als artifizielle Ich-Funktion gestanden hat, können Arbeit und die damit verbundenen Erfolgs-, Leistungs- und Kontakterfahrungen von der Zentriertheit auf interne und externe Reizüberflutungen ablenken, das Funktionsniveau erhöhen und substituierend im Sinne einer Rückfallprophylaxe wirken.

Durch das Erleben der eigenen Produktivität wird das Selbstwertgefühl nachhaltig gesteigert. Das Ergebnis der Arbeit läßt den eigenen Anteil und Beitrag am Produkt als sinn- und wertvoll deutlich werden.

Zudem kann das kontinuierliche Arbeitsverhalten, der Fertigkeitserwerb, das Arbeitstraining, die Realisierung eigener gestalterischer Ideen, sowie die Fähigkeit zu Flexibilität, Aggressionen abzubauen, sich Durchzusetzen, Konflikte zu bewältigen und kooperativ zu arbeiten, in eine Ausbildung oder einen Beruf umgesetzt werden.

5.6 Freizeitgestaltung

Freizeit hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Vor allem Drogenabhängige haben aber keine Erfahrung mit der Gestaltung von Freizeit. In ihrem bisherigen Leben ließ das Beschaffen und der Konsum von psychotrope Substanzen Langeweile nicht entstehen. Daher kommt der Beschäftigungstherapie eine besondere Bedeutung zu.

Unter dem Begriff Beschäftigungstherapie sind alle angeleiteten Formen der aktiven Freizeitgestaltung subsumiert. Die Klienten und Klientinnen können in sportlichen, kreativen, musischen und kulturellen Aktivitäten

  • ihre Situationen, Gedanken, Stimmungen und Gefühle gestalterisch oder körperlich ausdrücken und reflektieren
  • neue Erlebnisbereiche erschließen und ausprobieren
  • ein stabiles Netz an Kontakten und Freundschaften festigen
  • Engagement für sich und andere entwickeln
  • ihr Selbsthilfepotential fördern
  • die entstehende Nähe zur Beziehungsklärung nutzen.

Das Bedürfnis nach besonderen, sich aus dem Alltag hervorhebenden, Erfahrungen kann gesellschaftlich akzeptiert ge- und erlebt werden und ist dabei als Rückfallprophylaxe zu nutzen.

Die Klienten und Klientinnen können regelmäßig Sport in Form von Volleyball, Fußball, Handball, Joggen und Fahrradfahren treiben, gemeinsam ins Kino oder Theater gehen, Konzerte besuchen oder sich in einem politischen oder ökologischen Projekt engangieren.

5.7 Ausdruckstherapie

Die Ausdruckstherapie ermöglicht den Klienten und Klientinnen sich selbst und ihre Welt zu entdecken und eine Beziehung zwischen der Persönlichkeit und der Umwelt herzustellen. In diesem kreativen Prozeß wird die innere und äußere Realität zu einer Einheit verschmolzen.

In der Auseinandersetzung mit unterschiedlichsten Medien, sowie durch verschiedene Projekte und Angebote in den Bereichen Musik, bildnerische Kunst, Video und Theater werden verschiedenstartige Gestaltungsmöglichkeiten erschlossen und eine Alternative zu einem oft ausschließlich passiven Konsumverhalten geboten. Schwellenängste können überwunden und neue oder wiederentdeckte Gefühle können verbal wie nonverbal ausgedrückt werden. Mit der Entwicklung und Entdeckung kreativer Fähigkeiten kann sich der Klient oder die Klientin intensiv mit sich selbst auseinandersetzen und selbst aktiv werden. Das Erleben der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt sowie das Umsetzen des Erlebten zeigt konkret umsetzbare Alternativen zu der passiven Stimulation durch Drogen. Durch das Umsetzen der eigenen bildhaften Vorstellungen in Aktionen und durch die Assoziationen der anderen lassen sich neue Lösungswege spielerisch vorwegnehmen und so erlernen.

Das Selbstbewußtsein und die Selbsterkenntnis wird durch das Entdecken der eigenen Kreativität, deren Umsetzung und durch die Präsentation des selbst Hervorgebrachten gefördert. Dabei müssen eigene Grenzen und Hemmschwellen überwunden und Mut gezeigt werden.

5.8 Körpertherapie

Die Körpertherapie bedient sich unterschiedlicher Methoden, die aus den Bereichen der Heilpädagogik und der Alternativmedizin fernöstlicher Kulturen übernommen wurden. Hier finden sich verschiedene Entspannungstechniken, körperdynamische Übungen, Meditation, Massagen, Atemübungen, Aromatherapie oder Traumreisen wieder.

Diese Techniken befähigen die Klienten und Klientinnen dazu, die Körperwahrnehmung zu intensivieren, Signale zu deuten, innere Kräfte zu aktivieren, einen Bezug zwischen geistigen und körperlichen Fähigkeiten herzustellen und einen gesundes und positives Körpergefühl aufzubauen.

Dieser Bezug bewirkt eine Bewußtseinsänderung, indem der Körper nicht mehr bewußt mit psychotropen Substanzen geschädigt wird, sondern versucht wird, das erlangte positive Körpergefühl zu erhalten.

Es handelt sich hierbei um ein offenes Angebot, in dem individuell auf die Bedürfnisse einzelner Klienten und Klientinnen eingegangen werden kann.

5.9 Schul- Ausbildungs- und Berufsberatung

Der weitaus größere Teil der Klienten und Klientinnen von „MOVE IT“ verfügt zum Zeitpunkt der Aufnahme über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Die meisten blicken auf eine oder mehrere abgebrochene Lehren zurück, manche haben nach Erwerb des (qualifizierten) Hauptschulabschlusses oder - seltener - der Mittleren Reife verschiedenste Hilfstätigkeiten aufgenommen und mit diesen zumindest zeitweise ihr Leben finanziert. Unzufriedenheit und Frustrationen im Berufsleben wurden zu suchtverlängernden und rückfallprovozierenden Faktoren.

Die Chancen auf den Erwerb von Arbeit und die Integration in den Arbeitsmarkt ist aufgrund der bislang eher niedrigen Qualifikation für die meisten Klienten und Klientinnen von „MOVE IT“ nicht einfach. Häufig sind die erreichbaren Tätigkeiten auch mit einem niedrigen gesellschaftlichen Status verbunden.

Strafrechtliche Stigmen und lange Ausfallzeiten in der schulischen oder beruflichen Ausbildung oder im Arbeitsleben erschweren und verhindern die Einstiegsmöglichkeiten nach der Drogenabhängigkeit. Vorstrafen und Bewährungsauflagen werden von vielen Klienten und Klientinnen als beschämend und von vielen potentiellen Arbeitgebern als negatives Kriterium erlebt. Eine hohe Schuldenbelastung wirkt sich negativ auf die Motivation zu einer Arbeit oder zu einer Ausbildung aus. Durch den oft jahrelangen Drogenabusus liegen zum Teil erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen vor. Aus Angst vor Ansteckung stoßen viele HIV-infizierte Drogenabhängige auf Ablehnung. Das Selbst vieler Drogenabhängigen ist brüchig und schwankt zwischen Größenphantasien und Minderwertigkeitsgefühlen. Eine realistische Einschätzung individueller Fähigkeiten ist häufig nicht möglich. Die Kritik- und Frustrationstoleranz ist schlecht ausgeprägt, Wut und Resignation ersetzen oftmals einen kritischen Dialog. Plötzlich auftretende emotionale und affektive Impulse können nur schlecht kontrolliert werden und lösen vielfältige Unsicherheiten aus. Darüber hinaus fällt Drogenabhängigen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit oft schwer und sie stellen zu hohe Erwartungen an einen Arbeitsplatz.

Erwerbstätigkeit ist jedoch die Voraussetzung für ökonomische Unabhängigkeit und eine selbstständige Lebensführung sowie ein wesentlicher Faktor zur Stabilisierung des Selbstwertgefühls.

Bei Eintritt in die Integrationsphase wird zunächst die schulische und berufliche Ausgangssituation des Klienten oder der Klientin geklärt:

  • Welcher Schulabschluß liegt vor, welche Berufsausbildungen wurden begonnen oder abgeschlossen?
  • Welche Tätigkeiten wurden bisher ausgeübt?
  • Welche sonstigen Fähigkeiten und Fertigkeiten sind vorhanden?

Anschließend werden die schulischen und beruflichen Ziele abgeklärt. Hierbei handelt es sich ebenso um kurzfristige Ziele (Geld verdienen, Beschäftigung, Alltagsstrukturierung) wie auch um mittel- und langfristige Ziele (Integration in den Arbeitsmarkt, Erhöhung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, Steigerung des schulischen und beruflichen Status, Steigerung des Selbstwertgefühls).

Im Verlauf des Aufenthalts wird die schulische und berufliche Entwicklung immer wieder überprüft und ggf. modifiziert. Dieser Prozeß wird von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von „MOVE IT“ durch die Bereitstellung von verschiedenen Materialien über in Frage kommende Schulen, Ausbildungs- und berufliche Möglichkeiten sowie entsprechende Adressen begleitet. Darüber hinaus können sich die Klienten und Klientinnen in der Wahl der in Frage kommenden Bildungs- und Berufsstätten beraten lassen.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unterstützen die Klienten und Klientinnen schulische Abschlüsse nachzuholen, berufliche Qualifikationen zu erwerben, die Berufstätigkeit zu erproben und regen die Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt bei der individuellen Berufsfindung unter dem Aspekt der Reintegration an.

Die Integration in vorhandene Regelschulen erfordert sehr viel Eigeninitiative, Disziplin und Ausdauer und bietet wenig Unterstützung bei den spezifischen Problemlagen.

Nach der Ausbildung und Arbeitsplatzfindung ist die Begleitung zur Stabilisierung im Arbeitsalltag und -leben (angesichts der sozialen Anforderungen wie Disziplin, Pünktlichkeit, Ausdauer und Frustrationstoleranz) nötig. Günstigstenfalls kann dies zur Integration der Arbeit in das Persönlichkeitsbild und damit zu einer Aufhebung der Spaltung zwischen Arbeits- und Privatleben führen.

Alle diesbezüglichen Angebote haben den Charakter der Hilfe zur Selbsthilfe: so sollen zwar Kenntnisse vermittelt werden, die wesentlichen Schritte und Umsetzungsversuche werden aber, im Sinne der Selbstverantwortung und des Realitätsprinzips, von den Klienten und den Klientinnen selbst ausgeführt.

5.10 Berufsfindung und -erprobung

Die Maßnahmen zur Berufsfindung und -erprobung werden in enger Zusammenarbeit mit den Arbeitsämtern und anderen Trägern der beruflichen Rehabilitation realisiert und haben die Arbeitsaufnahme oder den Eintritt in eine qualifizierende Ausbildungsmaßnahme zum Ziel. Darüber hinaus sollen den Klienten und Klientinnen ein realistisches Selbstbild, Selbstvertrauen, Selbstbewußtsein, soziale Kompetenz und Fachkompetenz vermittelt werden. Dieses Betreuungsangebot wird ausschließlich in der Integrationsphase angeboten und steht nur arbeitslosen Klienten oder Klientinnen offen.

Die berufliche Reintegration ist Voraussetzung für die Stabilisierung des Therapieerfolges und für die allgemeine gesellschaftliche Reintegration. Eine Untersuchung von Alkoholabhängigen zeigte, daß die Rückfallquote nach dem Therapieende durch ein bestehendes Arbeitsverhältnis um 10 - 15 % geringer ist, als in einer Kontrollgruppe mit arbeitslosen Therapieabsolventen.

Die Arbeitsvermittlung und -beratung von Drogenabhängigen ist äußerst schwierig, weil sie ungünstige Ausgangsbedingungen haben. Die Arbeitsberater der Arbeitsämter sind häufig weder entsprechend geschult, noch haben sie die notwendige Zeit, sich mit diesem Klientel intensiv zu befassen.

Im Verlauf der Therapie erleben viele Klienten und Klientinnen den Wunsch, nach Therapieende etwas Sinnvolles zu tun. Sie suchen nach einer Tätigkeit, in der sie sich ausdrücken und Spaß erleben können. Kreative Berufe, wie Schreiner und Goldschmied, sind deshalb oft geäußerte Berufswünsche. Tatsächliche Fähigkeiten und Neigungen werden dabei häufig außer Acht gelassen.

Wenn Arbeit über einen längeren Zeitraum eine stabilisierende Wirkung haben soll, so muß ein Beruf gefunden werden, mit dem sich der Klient oder die Klientin zumindest teilweise identifizieren kann, und der seinen oder ihren Fähigkeiten entspricht.

Die Bemühungen um die Reintegration von Drogenabhängigen scheitern häufig an unzureichenden beruflichen Reintegrationsmaßnahmen, Überforderung von Arbeitsberatern und Therapeuten, den schwierigen Ausgangsbedingungen und an problematischen Persönlichkeitseigenschaften.

Zu Beginn der Maßnahmen zur Berufsfindung und -erprobung steht das Kennenlernen wichtiger Stellen und der persönliche Kontakt zu den Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen im Vordergrund. Grundlage dabei ist ein handlungsorientierter Ansatz, in dem Inhalte durch praktische Arbeiten vermittelt werden.

Zunächst erarbeiten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zusammen mit den Klienten und Klientinnen basale Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Start in das Berufsleben.

  • Eine realistische Selbsteinschätzung wird durch immer wiederkehrende "feed-backs" modifiziert
  • Soziale Kompetenz wird durch ein Kommunikations- und Konflikttraining gefördert
  • Ein "Benimm-Training" verbessert die Umgangsformen, ein Bewerbungstraining verbessert die Selbstdarstellung
  • Entspannungsübungen dienen einer besseren Selbstkontrolle und Streßbewältigung
  • Lernen wird gelernt, Lernängste und -hemmungen werden abgebau, die Lernmotivation wird gefördert, Lernstrategien werden entwickelt und der Spaß am Lernen wird vermittelt
  • In einem EDV-Kurs wird der Umgang mit Computern und die Anwendung von weit verbreiteter Software eingeübt
  • Arbeitsrecht wird anhand von Arbeitsverträgen und Zeugnissen besprochen
  • Grundlegende Abläufe in einem Büro oder in einem Lager sollen in fiktiven "Übungsfirmen" nachgespielt. Dabei lernen die Klienten und Klientinnen die Lohn- und Finanzbuchhaltung ebenso wie Warenbestands- und Kassenführung neben anderen Verwaltungsabläufen kennen
  • Wichtige Zusammenhänge und Funktionsweisen zwischen Volkswirtschaft und Politik werden anhand aktueller Themen diskutiert und erklärt

All die bis dahin erworbenen Kompetenzen verbessern das Selbstwertgefühl und münden zusammen mit einer realistischeren Selbsteinschätzung, in einen zunächst hypothetischen Berufswunsch.

Zur Überprüfung des Berufsbildes werden Praktiker und Praktikerinnen aus den jeweiligen Berufsfeldern kontaktiert. Durch den Kontakt mit potentiellen Kollegen und Kolleginnen können die qualitativen Aspekte, wie Arbeitsinhalte, Arbeitsumfeld und Arbeitsbedingungen kennengelernt werden. Zudem kann ein Besuch bei dem Arbeitsberater oder der Arbeitsberaterin oder im Berufsinformationszentrum (BIZ) angeschlossen werden. Einwöchige "Schnupperpraktika" vermitteln einen direkten Einblick in eine Firma. Wenn die Überprüfung abgeschlossen und der Berufswunsch gefestigt ist, beginnt die gemeinsame Suche nach einer geeigneten Praktikumsstelle.

Am Anfang eines jeden neuen Praktikums werden Rahmenlehrpläne, die die zu vermittelnden Arbeitsinhalte festlegen, mit den Arbeitgebern erstellt. Nach Möglichkeit wird ein Praktikumsanleiter bestimmt, der die Verantwortung für die Vermittlung trägt. Zum besseren Problemverständnis kann der Praktikumsanleiter eine kurze Schulung und Beratung erhalten.

Durch ein vierwöchiges Praktikum wird der ausgewählte Beruf in der täglichen Arbeitspraxis kennengelernt. Die Klienten und Klientinnen können ohne großen zeitlichen Abstand ihre Erfahrungen in der Einzel- und Gruppentherapie reflektieren. Eventuell auftretende Schwierigkeiten und Konflikte können direkt bearbeitet werden.

Nach diesem Praktikum werden die bisherigen Erfahrungen ausgewertet. Es wird erneut überprüft, ob der gewählte Beruf sich mit den Vorstellungen, Fähigkeiten und Neigungen des Klienten oder der Klientin deckt. Ist dies nicht der Fall, muß eine Neuorientierung vorgenommen und eine neue Praktikumsstelle gesucht werden. Gleiches gilt bei Schwierigkeiten mit den Vorgesetzten, Kollegen und Arbeitsbedingungen.

In der gleichen Firma wird ein zweites, diesmal achtwöchiges Praktikum zur nochmaligen Überprüfung des Berufswunsches durchgeführt. Bisherige Erfahrungen und erworbenes Wissen kann eine kritische Auseinandersetzung vertiefen.

Der Übertritt in ein festes Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis ist ab diesem zweiten Praktikum möglich. Nach Beendigung des Praktikums kommt es nochmals zu einer Erfahrungsauswertung und eventuell zu einer Neuorientierung. Dabei werden Entspannungsübungen und Basisqualifikationen gezielt vertieft.

In der dritten und längsten (12 Wochen) Praktikumsphase wird das Berufsziel endgültig festgelegt. Diese Praktikumsstelle sollte die Möglichkeit zu einer festen Anstellung bieten. Im letzten Drittel werden die Ausbildungs- oder Arbeitsverträge abgeschlossen, oder der Übertritt in weiterführende Schulungsmaßnahmen eingeleitet.

5.11 Schuldnerberatung

Eine Abhängigkeit von psychotropen Substanzen kann nicht durch ein „normales“ Einkommen finanziert werden. Daher haben die meisten drogenabhängigen Menschen Erfahrung mit dem Weiterverkauf von Drogen sowie mit der Beschaffungskriminalität und Prostitution. Häufig wird eine Abhängigkeit aber auch durch die Überziehung von Konten oder durch anderweitige Kredite finanziert. Darüber hinaus sind oftmals hohe Gerichts- und Anwaltskosten, Geldstrafen, Schadensersatzforderungen und andere Zahlungsverpflichtungen zu begleichen. Etwa 80% der Drogenabhängigen haben insgesamt über DM 15.000,-- Schulden.

Nach der Aufnahme in die Initialphase, stehen viele neue Klienten und Klientinnen vor einem kaum mehr zu überschauenden Schuldenberg. Sobald sie sich bei der Gemeinde angemeldet haben, werden die ersten Zahlungserinnerungen, Mahnungen, Mahnbescheide und Pfändungsbeschlüsse zugestellt. Häufig können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen erst nach einigen Wochen das ganze Ausmaß der Verschuldung überblicken. Für die Klienten und Klientinnen ist das Problem alleine nicht zu lösen. Jede berufliche Perspektive und die damit einhergehende Vorstellung über eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben, wird unter der Schuldenlast verworfen.

Schuldnerberatung ist ein unverzichtbarer Bestandteil professioneller Drogenhilfe. Im Sinne der ganzheitlichen Beratung und Behandlung bei „MOVE IT“ ermöglicht die Integrration des drogenbedingten Problemfeldes „Schulden“ ein adäquates Bearbeiten der Symbiose von Drogenabhängigkeit und Überschuldung. Dabei kommt der Bestandsaufnahme und dem Schuldenstop in der Initialphase und der Schuldensanierung in der Integrationsphase besondere Bedeutung zu.

Um möglichst effektive Schuldnerberatung leisten zu können, muß unmittelbar nach Bekanntwerden der Verschuldungssituation qualifizierte Beratung und Hilfe angeboten werden. Je früher eine Entschuldung eingeleitet werden kann, desto größer ist die Chance einer erfolgreichen Rehabilitation. Die Entschuldungshilfe basiert auf spezielle Kenntnisse im rechtlichen Bereich und erfordert Kompetenz im Kreieren, Aushandeln und Umsetzen fallspezifischer Sanierungsstrategien.

Schuldnerberatung setzt aber auch bei der notwendigen Verhaltensänderung auf Seiten der Klienten und Klientinnen an. Rehabilitation heißt in diesem Sinne auch Verzicht üben und Beschränkung lernen. Süchtige Verhaltensdefizite wie Ungeduld, Verantwortungslosigkeit, Passivität, fehlendes Durchhaltevermögen und eine mangelnde Wertstruktur, sind auszugleichen und durch einen verantwortungsbewußten Umgang mit sich selbst und mit anderen zu ersetzen.

Darüber hinaus ist die aktive Mitarbeit bei dem Zusammenstellen aller relevanter Unterlagen, der Kontaktaufnahme mit den Gläubigern, der Schuldensanierung und der Erstellung eines Tilgungs- und Haushaltsplanes Voraussetzung für die Schuldnerberatung durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „MOVE IT“.

Je früher den Klienten und Klientinnen, auch nach langjähriger Drogenabhängigkeit, die aktuelle Schuldensituation bewußt wird und durch fachliche Hilfestellung gezeigt werden kann, daß

  • ein weiterer Schuldenanstieg abgebremst werden kann,
  • Gläubigern bei Zwangsvollstreckungsmaßnahmen Grenzen gesetzt werden,
  • Teilschuldenerlasse möglich sind,
  • Tilgungsarrangements fruchten und
  • spezielle Umschuldungsfonds für Straffällige und Drogenabhängige zur Unterstützung einer späteren Schuldensanierung existieren,

desto eher wird die subjektiv erdrückende Schuldensituation ein beherrschbares Problem. Eine realistische Chance auf eine wirtschaftliche Lebensperspektive ist notwendig, um Therapiemotivation zu wecken und ein „Durchhalten“ in der Therapie sicherzustellen.

Grenzen der Sanierungsbemühungen ergeben sich sowohl aus dem individuellen Verhalten des Klienten oder der Klientin, als auch durch die beschränkten rechtlichen Möglichkeiten des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin. Schuldnerberatung in der therapeutischen Arbeit steht immer im Spannungsfeld therapeutischer Prioritäten und Notwendigkeiten und darf sich nur an den individuellen Zielvorstellungen des Klienten oder der Klientin orientieren.

5.12 Rechtsberatung

Die juristische Situation von vielen Drogenabhängigen ist äußerst schwierig. Aufgrund der Illegalität der meisten verwendeten psychotropen Substanzen und der mit der Beschaffung von Drogen einhergehenden Kriminalität, sind viele der Klienten und Klientinnen vorbestraft. Gerade am Anfang ihres Aufenthalts bei „MOVE IT“ sind häufig offene Verfahren anhängig, werden Ersatzfreiheitsstrafen verhängt oder werden Bewährungen widerrufen. Darüber hinaus sind Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch oftmals strittig.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beraten die Klienten und Klientinnen in strafrechtlichen und sozialhilferechtlichen Belangen. Sie unterhalten enge Kontakte zu Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen und setzen sich im Bedarfsfalle mit den zuständigen Staatsanwaltschaften oder Gerichten in Verbindung.

5.13 Medizinische Betreuung

In der, von der Drogenhilfe Inntal angebotenen sozialtherapeutischen Rehabilitation, steht kein medizinisches Fachpersonal zur Verfügung. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „MOVE IT“ arbeiten aber eng mit niedergelassenen Internisten und Psychiatern zusammen.

Die Klienten und Klientinnen werden auf dem Weg zur Wiederherstellung der physischen Gesundheit ständig von einem ortsansässigen Arzt betreut.

Da die medizinische Betreuung aber nicht bei dem Arzt aufhören sollte, wird bei „MOVE IT“ der körperlichen Gesundheit die gleiche Bedeutung beigemessen wie der psychischen Gesundheit. Dabei kommt insbesondere der alternativen Schmerzbehandlung große Bedeutung zu.

In enger Kooperation mit der Immunambulanz des Städtischen Krankenhauses München-Schwabing werden Klienten und Klientinnen mit einer HIV-Infektion oder einer AIDS-Erkrankung betreut und über etwaige Behandlungsmaßnahmen beraten.

6 Stationäre Therapieangebote

„MOVE IT“ gliedert sich in die Initialphase mit 24 Plätzen, in die Erlebnisphase mit 12 Plätzen und in die Integrationsphase mit 36 Plätzen. Die stationären Therapieangebote stellen eigenständige Organisationseinheiten dar und bauen aufeinander auf.

6.1 Initialphase

Die Initialphase ist das erste stationäre Therapieangebot der Drogenhilfe Inntal. In vier Häusern wohnen jeweils sechs Klienten oder Klientinnen und werden dort von einem gleichgeschlechtlichen Therapeutenpaar betreut.

Mit dieser Struktur kann qualifizierte, an den konkreten Lebenswelten orientierte geschlechtsspezifische Therapie in einem realen Kontext, innerhalb einer gemischtgeschlechtlichen Einrichtung, realisiert werden.

6.1.1 Indikation

In die Initialphase werden vor allem neue Klienten und Klientinnen der Drogenhilfe Inntal aufgenommen. Darüber hinaus steht dieses Therapieangebot Klienten und Klienten anderer Projektteile, die rückfällig geworden sind oder sich in einer akuten Krise befinden, offen.

Die Indikationskriterien für eine Aufnahme in die Initialphase lassen sich am besten durch eine der folgenden stilisierten Aussagen beschreiben:

  • „Ich habe mich nicht endgültig gegen ein Leben mit Drogen entschieden, möchte aber dennoch eine gewisse Zeit drogenfrei leben“
  • „Ich möchte ein cleanes Leben beginnen, habe aber keine Erfahrung mit Therapie“
  • „Nach diesem Rückfall brauche ich einen stabilen Rahmen, um nicht noch einmal endgültig abzustürzen“
  • „Ich habe eine andere stationäre Therapie abgebrochen, möchte mich aber weiterhin mit mir und anderen auseinandersetzen“
  • „Ich will mir die Grundlagen für weitere, ggf. ambulante psychosoziale Hilfen erarbeiten“
  • „Distanz zu meinem bisherigen Leben ist mir sehr wichtig“
  • „Anstatt mit Drogen und deren Beschaffung will ich mich mit Beziehungen zu anderen Menschen beschäftigen“
  • „Ich möchte kurzfristige und konkrete Alternativen zur Droge ausprobieren und entwickeln“

Grundlage der Zusammenarbeit ist die Bereitschaft zum Einlassen auf eine zumindest kurze cleane Lebensphase. Die Frage nach weiteren Perspektiven tritt hinter das Ziel einer kurzfristigen Stabilisierung der Drogenfreiheit und Therapiemotivation zurück. Ängste können abgebaut, die Ausgangsmotivation kann verstärkt und klare Zielvorgaben können erarbeitet werden.

6.1.2 Themen

In der Initialphase stehen folgende thematische Schwerpunkte im Vordergrund:

  • Stabilisierung der Drogenfreiheit und der Therapiemotivation
  • Vermeidung von Therapieabbrüchen und Rückfällen
  • Minderung von Ängsten und Befürchtungen bezüglich einer weitergehenden Behandlung
  • Wiederherstellung der physischen und psychischen Gesundheit
  • Umgang mit dem langandauernden Entzugssyndrom
  • Herstellen von basalen Sicherheiten in den Bereichen Justiz, Finanzen, Arbeit, Wohnen und Beziehungen
  • Vertiefung des Problembewußtseins hinsichtlich der Abhängigkeitsproblematik und Förderung von Entwicklungsbereitschaft
  • Diagnose und Indikationsstellung
  • Benennung möglicher Therapieziele

Durch angemessene Anforderungen und die Bewältigung von neuen Aufgaben entsteht ein Spannungsfeld, welches das Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl stärkt. Die Klienten und Klientinnen lernen unterschiedliche Aspekte der eigenen Persönlichkeit, zentrale Problematiken im Umgang mit sich und anderen, aber auch ihre Stärken und Liebenswürdigkeiten kennen. Damit wird die Flucht vor unerwünschten Anteilen nicht mehr als unausweichlich erlebt. Interesse an einer weitergehenden Auseinandersetzung kann gedeihen.

Oftmals können hierbei vorhandene Ressourcen aus der Lebensgeschichte oder Erfahrungen aus früheren Therapien genutzt werden. Die omnipotente Angst vor der Unlösbarkeit praktischer Probleme kann abgebaut werden. Zugrundeliegende Probleme werden sichtbar.

Die Entscheidung für ein cleanes Leben wird in der Regel nicht nur durch ein Motiv in Gang gesetzt und gehalten, sondern durch ein mehr oder weniger vielschichtiges Motivgefüge. Motivation kann als die Antriebsdynamik des Strebens und Wollens bezeichnet werden. Der erste Schritt aus der Abhängigkeit ist der Entschluß, daß es so wie bisher nicht weitergehen soll. Der zweite Schritt besteht darin, das eigene Leiden zu verstehen und zu akzeptieren. Therapiemotivation, der Wunsch nach heilsamen Erfahrungen und nach einem befriedigenden Leben kann entstehen.

Den Begriff der Therapiemotivation kann man nicht losgelöst von der persönlichen Biographie der Klienten und Klientinnen betrachten. Sie wird sicherlich immer durch bestehende oder zurückliegende soziale Kontakte, aber auch von den Vorstellungen und den Erwartungen an die Therapie geprägt. Therapiemotivation hat immer einen prozeßhaften, niemals aber einen statischen Charakter. Die Motivation der Klienten und Klientinnen ist immer ambivalent, einerseits würde er oder sie gerne weiter Drogen konsumieren, andererseits will er oder sie damit aufhören. Diese widerstreitenden Gefühle müssen bewußt werden.

In der Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, der Gruppe, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und der Realität, können Rahmenbedingungen für den Wachs-       tumsprozeß von Therapiemotivation geschaffen werden.

Am Anfang des Aufenthalts steht meist Orientierungslosigkeit und der Wunsch, man möge ihm oder ihr, seinen oder ihren Leidensdruck abnehmen und die negativen Konsequenzen der Suchtkarriere mindern. Häufig wird aber auch versucht, die Verantwortung für die eigenen Schritte auf den Therapeuten oder die Therapeutin zu übertragen. Nicht immer heißt das Ziel dauerhafte Abstinenz oder ein Leben ohne Drogen. Oftmals steht am Anfang des Aufenthalts bei „MOVE IT“ auch der Wunsch, nach einiger Zeit kontrolliert psychotrope Substanzen gebrauchen zu können. Dem entgegen stehen häufig spezifische weitergehende Erwartungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Diese Diskrepanz muß durch ein behutsames Angleichen der Ausgangsmotivationen überwunden werden.

Motivation kann nur entwickelt oder verstärkt werden, wenn jeder und jede einzelne die Möglichkeit zur freien Entscheidung über seinen oder ihren weiteren Lebensweg hat. Um diese Entscheidung treffen zu können, ist die Standortbestimmung und Retrospektion auf vorangegangene Lebensabschnitte mit ihren Erfahrungen nötig.

6.1.3 Strukturen

Die Klienten und Klientinnen verwalten und versorgen sich in einem drogen- und gewaltfreien Lebensraum. Ein gemeinsames Frühstück und die individuelle Planung des Tagesablaufs sind dabei ebenso wie ein gemeinsames Abendessen, mit anschließender Reflexion des Tages, obligatorisch. Die Freizeitgestaltung an den Wochenenden wird von den Klienten gemeinsam geplant und gestaltet. In diesem halboffenen Setting können die Klienten in Absprache mit den Mitklienten und Mitarbeitern situativ Ausgang erhalten.

Der Schwerpunkt in der Betreuung liegt bei der Einzel- und Gruppentherapie sowie bei der Schuldner- und Rechtsberatung. Darüber hinaus stehen familien-, erlebnis- und körpertherapeutische Maßnahmen ebenso wie die private Arbeit und die Freizeitgestaltung im Vordergrund. Die medizinische Betreuung rundet das Betreuungsangebot ab.

6.1.4 Personal

Jede der vier therapeutischen Gemeinschaften der Initialphase wird von einem Diplom-Sozialpädagogen oder einer Diplom-Sozialpädagogin und von einem Diplom-Psychologen oder einer Diplom-Psychologin betreut. Außerdem sind vier Honorarmitarbeiter und Honorarmitarbeiterinnen als Nachtdienste tätig.

6.2 Erlebnisphase

Nach etwa vier Monaten können die Klienten und Klientinnen aus der Initialphase in das zweite stationäre Therapieangebot von „MOVE IT“ und damit in die Erlebnisphase auf dem Sinai überwechseln.

Die zwölf Klienten und Klientinnen leben zusammen mit jeweils vier Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf einem Boot, welches vor den Küsten des Roten Meeres kreuzt. Dabei kann dem Erlernen und Ausüben des Tauchsports im Sinne der Erlebnistherapie, zentrale Bedeutung zukommen. Zudem können mehrtägige Ausflüge in die Wüste des Sinai oder nach Oberägypten und nach Kairo unternommen werden.

Dieses Therapieangebot endet nach etwa zwei Monaten mit der Rückkehr nach Deutschland. Dort können die Klienten und Klientinnen in die Integrationsphase (drittes stationäres Therapieangebot) aufgenommen werden.

6.2.1 Indikation

Die Erlebnisphase ist vor allem für Klienten und Klientinnen ohne anderweitige stationäre Therapieerfahrung, mit frühen Störungen, mit Reifungsdefiziten oder nach einem vorangegangenen Aufenthalt in der Initialphase angezeigt.

Auch an dieser Stelle sollen die Indikationskriterien anhand einiger möglicher Zitate erläutern werden:

  • „Ich brauche viel Sicherheit, Vertrauen und Schutz, um meine eigene Lebensgeschichte zu bearbeiten“
  • „Bislang ist es mir nicht gelungen, dauerhafte Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen“
  • „Problemen und Konflikten bin ich immer aus dem Weg gegangen“
  • „Ich möchte mich mit meinen persönlichen Stärken und Schwächen kennen und annehmen lernen“
  • „Es gibt in meinem Leben nichts, worauf ich stolz sein könnte. Mir fehlt es an Selbstbewußtsein und Selbstvertrauen“
  • „Leistungsanforderungen machen mir Angst. Daher möchte ich erfahren, daß sich persönliches Engagement für mich und für andere lohnt, und daß auch ich leistungsfähig bin“
  • „Ich kann meine eigenen Gefühle nicht erleben und ausdrücken“
  • „Wenn ich anderen gegenüber offen bin, werde ich weiter verletzt“
  • „Ich weiß nicht warum ich auf Dauer drogenfrei leben soll, mir fehlt es an der nötigen Motivation für ein dauerhaft cleanes Leben“
  • „In meinem bisherigen Leben habe ich keinen Sinn gesehen“
  • „Zum cleanen Leben gehört auch Spaß haben. Deshalb möchte ich zusammen mit anderen etwas erleben und wieder Freude haben“

6.2.2 Themen

Während ihres Aufenthalts auf dieser erlebnistherapeutischen Reise setzen sich die Klienten und Klientinnen vor allem mit biographischen Erlebnissen aus ihrer eigenen Geschichte auseinander. Dabei werden folgende thematische Schwerpunkte berücksichtigt:

  • Nachreifung der Persönlichkeit und Identität
  • Aufbau von tragfähigen Beziehungen unter Einbezug einer angemessenen Beziehungs- und Konfliktfähigkeit
  • Stabilisierung des Selbstwertgefühls und des Selbstbewußtseins
  • Abbau von Überforderungs- und Lebensängsten
  • Förderung von Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Durchhaltevermögen
  • Erleben und Ausdrücken der eigenen Emotionalität
  • Erleben von legalen Kicks und Glücksgefühlen
  • Entwicklung individueller Lebensentwürfe

Übergeordnetes Ziel dieser Maßnahme ist die Stabilisierung der Identität und der Persönlichkeit, nach einer vorangegangenen Krise, in einer gänzlich anderen Lebenswirklichkeit. Durch die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen, neuen Sportarten und den Gruppenmitgliedern können günstige Voraussetzungen für eine dauerhafte Drogenfreiheit geschaffen werden.

Dabei wird die Sinnhaftigkeit einer drogenfreien Lebensführung nicht nur aufgezeigt sondern erlebt. Soziale, materielle oder ideologische Lebensziele können, ebenso wie aktive Formen der Bedürfnisbefriedigung, als Alternative zur Droge gefunden werden.

Drogenabhängigen Menschen erleben ihr Leben häufig als eine Abfolge von schweren Krisen. Die Parallelität der Anforderungen von Beruf, Ausbildung, Schule, Wohnen, Schuldenregulierung, Freizeitgestaltung, Beziehungspflege oder ggf. Therapie kann nicht bewältigt werden. Tragfähige therapeutische, partnerschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen können nicht aufgebaut werden. Diese „Lebenskrise“ und die damit einhergehenden Überforderung und Vereinsamung läßt sich, unter Aufrechterhaltung der Integration in normale Lebensbezüge oder Therapieen, häufig nicht auffangen und bearbeiten. In abstinenten Lebensphasen wird zudem der Verlust der Droge durch das Fehlen alternativer Verhaltensweisen deutlich erlebt. In dieser Phase des Verlusterlebens kommt es fast immer zu deutlich depressiven Stimmungen, dem Gefühl von innerer Leere, Gereiztheit sowie Freud- und Hoffnungslosigkeit. In jedem seiner Lebensbereiche stößt der oder die Drogenabhängige dabei aufgrund seiner oder ihrer Problematik an Grenzen, erlebt Mißerfolge und reagiert entsprechend mit Rückzug, Vereinzelung und Rückfälligkeit. Dabei flieht er oder sie, innerlich wie auch real, aus und vor der Wirklichkeit.

Diese Problematik basiert immer auf einer mangelnden Ausprägung von Identität und Persönlichkeit. Somit steht die Identitäts- und Persönlichkeitsnachbildung neben einer globalen Ziel- und Sinnfindung und der konkreten Lebensgestaltung im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen in der Erlebnisphase. Dabei sind hochkomplexe und komplizierte Fragestellungen, in Bezug auf einen sinnerfüllten Lebensentwurf unter Einbeziehung gesellschaftlicher Leistungsfähigkeit, zu beantworten. Den vielschichtigen Anforderungen der Gesellschaft an ehemals Drogenabhängige können diese nur gerecht werden, wenn vorab in einem geeigneten Umfeld eine erfolgreiche Individualisierung, Sozialisation und Identitäts- sowie Persönlichkeitsnachbildung möglich war. Daher stellt die Erlebnisphase besondere therapeutische und pädagogische Methoden zur Verfügung.

Die Klienten und Klientinnen können kurzfristig aus einer Krisen-, Überforderungs- und Vereinsamungssituation herausgehen, Anforderungen und Grenzen der bisherigen Lebenswirklichkeit für einen überschaubaren Zeitraum hinter sich lassen, Nähe, Geborgenheit und Wärme in Beziehungen zu anderen Gruppenmitgliedern und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen erleben, am Modell der anderen lernen, innerhalb der erlebten „Ernst-Situation“ Ausweich- und Fluchtverhalten abbauen, das Durchhaltevermögen, die Frustrationstoleranz, die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit steigern, sowie in einem neuen und unkonventionellen Rahmen für die berufliche und soziale Integration notwendige Verhaltensweisen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erlernen, erproben und integrieren.

Die Erlebnisphase greift methodisch auf Elemente der weiter oben beschriebenen Erlebnistherapie zurück. Dabei steht jedoch die Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung, nicht aber das bloße Erleben von legalen Kicks, von Glücksgefühlen und von aktiver Freizeitgestaltung im Vordergrund. Authentische Erlebnisse werden instrumentell und strukturell als Gegenentwurf zu „Erlebnissen aus zweiter Hand“ angeboten. Sie bieten reale Erfahrungen und haben „Ernstcharakter“. Die damit verbundenen Aufgaben fordern Entscheidungen und adäquate Handlungen und bieten wenig Raum für Flucht- und Vermeidungsverhalten. Strukturen, Regeln, Grenzen und Anforderungen ergeben sich nachvollziehbar aus der Situation und können somit als real erlebt und angenommen werden. Probleme müssen im „Hier und Jetzt“ gelöst, Problembewältigungsstrategien sollen erlernt werden. Die Auseinandersetzung mit einem Problem, anderen Gruppenmitgliedern, Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen ist nicht vermeidbar und stellt ein Experimentierfeld für neues Verhalten dar. Unter Anleitung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, aber auch durch andere Gruppenmitglieder kann dies zu Erfolgserlebnissen führen, wodurch sich das Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein nachhaltig stabilisieren und sich die Frustrationstoleranz erhöhen sowie das Handlungsrepertoir erweitern lassen.

Neben der Identitäts- und Persönlichkeitsnachbildung, auf der Grundlage von Selbsterfahrung in einer anderen Lebenswirklichkeit, ist der Transfer der neuen Erfahrungsinhalte in den Alltag besonders wichtig. Daher steht jedem Klienten und jeder Klientin der Erlebnisphase die Aufnahme in die Integrationsphase offen. Selbstverständlich können die Klienten und Klientinnen der Erlebnisphase nach Abschluß der Maßnahme, auch im Rahmen einer intensiven ambulanten Nachsorge, direkt in ihre noch bestehende Wohnung zurückkehren. In jedem Fall muß die Reflexion und das „Teilen“ der gesammelten Erfahrungen in einem betreuten Rahmen unter klaren Strukturen möglich sein.

6.2.3 Strukturen

Die Aufenthaltszeit in diesem Projektteil beträgt im Regelfall zwei Monate und kann, aus organisatorischen Gründen, jeweils nur um einen Monat verlängert werden. Auch hier gelten die Grundregeln der Drogen- und Gewaltfreiheit. Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen und der Tagesablauf wird gemeinsam geplant und gestaltet. Das Leben auf dem Boot wird von den Klienten selbst organisiert.

Die Betreuungsangebote zielen primär auf die Gruppe und das Erleben jedes und jeder Einzelnen ab. Durch die private Arbeit und die Freizeitgestaltung wird der Tagesablauf strukturell bestimmt. Zudem werden körpertherapeutische Maßnahmen angeboten.

6.2.4 Personal

Davon ausgehend, daß jeweils vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen 12 Klienten und Klientinnen auf dem Boot betreuen, benötigt die Drogenhilfe Inntal jährlich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für 1460 Arbeitstage. Die tatsächliche tägliche Arbeitszeit muß mindestens mit 7 Stunden angesetzt werden. Demnach beträgt das benötigte jährliche Deputat 10220 Stunden. Die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters oder einer vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterin beträgt, bereingt durch den Erholungs- (26 Tage), Fortbildungsurlaub (10 Tage) und die Arbeitszeitverkürzung (2 Tage), 220 Tage oder 1694 Stunden.

Daher müssen für die Erlebnisphase drei Diplom-Sozialpädagogen oder Diplom-Sozialpädagoginnen und drei Beschäftigungstherapeuten (Erlebnistherapeuten) oder Beschäftigungstherapeutinnen (Erlebnistherapeutinnen) angestellt werden. Sie wechseln sich in der Betreuung vor Ort so ab, daß jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einen Monat zusammen mit der Gruppe auf dem Boot leben. Zudem werden zwei Schiffer oder Schifferinnen für das Boot verantwortlich sein.

6.3 Integrationsphase

Jeweils drei Männer und Frauen leben unter realitätsnahen und offenen Bedingungen in einem der zwölf gemischtgeschlechtlichen Häuser der Integrationsphase, die sich beispielsweise im Landkreis Rosenheim befinden. Dort werden sie von einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin der Drogenhilfe Inntal betreut.

Die Integrationsphase stellt einen schleichenden Abschied aus dem therapeutischen Milieu sicher. Der Klient oder die Klientin, steht gleichzeitig mit einem Bein in der Therapie und mit dem Anderen im Leben. Er oder sie kann seinen oder ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen und sich selbständig um den Aufbau einer neuen Existenz bemühen. Das drogenfreie Bewältigen von Alltagsanforderungen, das pünktliche und zuverlässige Einhalten von Terminen und Absprachen und die Forderung nach viel Eigeninitiative erfordert Entschlossenheit, Offenheit und Vertrauen in sich und andere.

6.3.1 Indikation

Auf der Basis individueller Erfahrungen mit drogenfreien Lebenszeiten und Therapie können die Klienten und Klientinnen der Integrationsphase, nach einem vorangegangenen Aufenthalt in einem anderen Projektteil oder einer anderen Maßnahme der Jugend- und Drogenhilfe, alltagsnah leben. Mögliche Indikatoren werden auch hier anhand einiger fiktiver Aussagen vorgestellt:

  • „Ich möchte Perspektiven für die weitere Lebensgestaltung entwickeln und unter realitätsgerechten Bedingungen umsetzen“
  • „Das, was ich an therapeutischen Erkenntnissen gewonnen habe, möchte ich an realen Erfordernissen messen“
  • „Ich will meine eigene Realität in einer kleinen Wohngemeinschaften selbstverantwortlich meistern“
  • „Nach dem Abbruch einer anderen Therapie möchte ich den erreichten Therapieerfolg festigen“
  • „Eigeninitiative und Autonomie sind mir wichtiger als passives Versorgungsdenken und einrichtungsbezogene Abhängigkeit“
  • „In der Auseinandersetzung mit Realitäten möchte ich mögliche Rückfallsituationen kennenlernen, die Ursachen eines möglichen Rückfalls aufarbeiten und konkrete Rückfallbewältigungsstrategien entwickeln“
  • „ Ich möchte die formalen Voraussetzungen für die Umsetzung meiner Ziele abklären und erfüllen“
  • „Ich möchte wieder Verantwortung für mich und andere übernehmen“

6.3.2 Themen

Zentrales Thema dieser Therapiephase ist das alltagsnahe Erleben sowie die Entwicklung und Realisierung von Perspektiven in den Bereichen Arbeiten, Wohnen, Schuldensanierung, Freizeitgestaltung, Beziehungspflege und Nachsorge.

In der Initialphase wird ein Prozeß der Orientierung zwischen den Lebensphasen Abhängigkeit, Therapie und Integration initiiert.

Die Orientierung beginnt mit der Bestandsaufnahme und wird durch die Entscheidung über

  • angemessene Maßnahmen zur schulischen oder beruflichen Rehabilitation,
  • eine geeignete Wohnform,
  • adäquate Wege in der Schuldensanierung,
  • individuelle Formen der aktiven Freizeitgestaltung,
  • den Aufbau, die Veränderung oder den Abbruch von partnerschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen sowie
  • weitergehende Formen psychosozialer Betreuung oder Therapie

begrenzt.

Das therapeutische Setting in den Häusern trägt über die gezielt gestalteten Beziehungen und Bedingungen in sehr guter Weise dazu bei, daß die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch die veränderte Identitäts- und Persönlicheitsstruktur, in alltäglichen Lebensbezügen und unter „normalen“ Anforderungen übertragen, umgesetzt und realisiert werden können.

Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellen Verknüpfungen und Verbindungen zwischen realen Anforderungen und erworbenen Potentialen und Erfahrungen aus vorangegangenen Therapien oder der Erlebnisphase her und mindern, durch das Zurückgreifen auf Erfahrungswissen und Handlungskompetenz, die Angst vor einer erneuten Überforderung. Dieser Prozeß stützt die Identitäts- und Persönlichkeitsnachbildung, erweitert sie und ermöglicht die Entwicklung adäquater Reaktionsmuster auf gesellschaftliche Realitäten, Anforderungen, Werte und Normen.

Dabei stehen individuell formulierte und modifizierte Entwicklungsziele wie die

  • Selbstverantwortung und -versorgung,
  • Entwicklung einer breiten Handlungskompetenz,
  • Stabilisierung des Lebensrhythmusses (geregelter Tagesablauf),
  • Erweiterung von drogenfreien Lebensbezügen und Kontakten,
  • Umsetzung einer realistischen Finanzplanung,
  • berufliche und schulische Orientierung und Qualifikation,
  • Stabilisierung der Persönlichkeit und der Drogenfreiheit,
  • soziale Integration in einer betreuten Wohnform sowie die
  • Verbindung von Alltagserleben und pädagogischen und therapeutischen Angeboten

im Vordergrund.

Die Entwicklung und Verselbstständigung kann, entsprechend des Alters und des Entwicklungsstandes individuell gefördert und begleitet werden. Die Klienten und Klientinnen können in diesem Rahmen die begonnenen Prozesse der Sozialisation, Integration und Reintegration durch Erweiterung des Verhaltensrepertoirs und die weitergehende Übernahme von Eigenverantwortlichkeit weiterführen.

Im weiteren Verlauf des Aufenthalts in der Integrationsphase werden die vorab entwickelten Persepktiven realisiert. Der individuelle Weg jedes Klienten und jeder Klientin rückt verstärkt in den Mittelpunkt, um aus Abhängikeiten und Isolation eine befriedigende Integration in bestehende Systeme zu erreichen. Unterstützt durch ein geringes Maß an therapeutischer Begleitung können bisher entwickelte Perspektiven im Kontakt mit der Innen- und Außenwelt eigenverantwortlich umgesetzt, revidiert und ggf. neu entwickelt werden. Der Klient oder die Klientin kann die bisher gewonnene Ich-Kompetenz in der Binnengemeinschaft der Hausgruppe und im Kontext von Realsituationen im Schul- oder Berufsleben und beim Aufbau sozialer Bezüge verwirklichen.

Einer Bewertung der realisierten Veränderungsschritte auf ihre Effektivität kommt hier besondere Bedeutung zu. Defizitäre Bereiche des Verhaltens treten durch den verstärkten Realitätsbezug deutlicher hervor. Angemessene Veränderungen in Verhaltensweisen, um auf veränderte Lebensbedingungen zu reagieren, sind überlebenswichtige Leistungen. Eine immerwährende Wechselwirkung zwischen dem Klienten oder der Klientin und dem sie umgebenden System verlangt von ihm oder ihr Neuorientierung zur Weiterverfolgung der Bedürfnisbefriedigung und dem Erreichen von Zielperspektiven.

Phasen der Stagnation können eintreten. Um entwickelte Zielperspektiven zu realisieren, muß die Problemdefinition revidiert und müssen neue Zielperspektiven ausgebildet werden. Auch in dieser Phase kann unter Umständen Verzichtsleistung unter Einsicht notwendig werden.

Wenn ein Großteil der Perspektiven adäquat in die Realität umgesetzt werden konnte, beginnt der Ablöseprozeß aus und von „MOVE IT“.

6.3.3 Strukturen

Auch in der Integrationsphase steht die Drogen- und Gewaltfreiheit im Mittelpunkt des Regelwerks. Der individuelle Wochenverlauf wird von jedem Einzelnen in der Gruppe geplant. An den Wochenenden findet zudem ein gemeinsames Frühstück statt. Die Freizeitgestaltung kann in Absprache mit den Mitarbeitern selbständig erfolgen. Selbstverständlich wird der konkrete Lebensraum der Klienten wiederum selbst verwaltet und versorgt.

Die Schul-, Ausbildungs- und Berufsberatung steht dabei, ebenso wie die Berufsfindung und -erprobung, im Mittelpunkt der Betreuung. Zudem werden regelmäßig gruppen- und ausdruckstherapeutische Maßnahmen angeboten. Die Einzethebekommt zunehmend einen beratenden Charakter.

6.3.4 Personal

Jeweils ein Diplom-Sozialpädagoge oder eine Diplom-Sozialpädagogin, der oder die über ein kleines Teamzimmer in dem jeweiligen Haus verfügt, betreut drei Klienten und Klientinnen einer therapeutischen Gemeinschaft.

7 Nachsorge

Im Regelfall sollte sich an den Aufenthalt bei „MOVE IT“ eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme, in Form von ambulanter Therapie, Nachsorge oder Psychotherapie, anschließen. Die Besonderheit eines spezifischen Krankheitszustandes kann jedoch auch die Indikation zu einer weiteren teilstationären oder stationären Maßnahme rechtfertigen, wenn eine Ambulante aller Voraussicht nach nicht ausreichen wird, ein cleanes Leben zu festigen.

Ambulante Leistungen zur Rehabilitation setzen vorangegangene Maßnahmen zur individuellen Beratung und Motivation voraus. Diese Vorbetreuung wird durch „MOVE IT“ erbracht. Sie dient der Diagnostik und der Abklärung, ob eine und wenn ja welche weitergehende Rehabilitationsmaßnahme angezeigt ist.

8 Organisationsstruktur

8.1 Projektleitung

„MOVE IT“ wird von einem Diplom-Sozialpädagogen oder von einer Diplom-Sozialpädagogin geleitet. Er oder sie wird von einem stellvertretenden Leiter oder von einer stellvertretenden Leiterin vertreten und unterstützt. Die Leitung wird von dem Vereinsvorstand berufen und von diesem und einem Organisationsberater oder einer Organisationsberaterin beraten. Die Dienst- und Fachaufsicht über den Leiter oder über die Leiterin obliegt dem Vorstand, über den stellvertretenden Leiter oder die stellvertretende Leiterin obliegt dem Leiter oder der Leiterin.

Die Leitung ist in ihrer Entscheidungsfindung eigenständig, sichert ihre Ergebnisse über Protokolle und Dienstanweisungen und ist durch den Vereinsvorstand mit der Personal-, Etat- und Konzeptionshoheit ausgestattet und trägt die Gesamtverantwortung für „MOVE IT“. Zu ihrer Aufgabe gehören unter anderem die

  • Personalführung (Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen, Abmahnungen, Ausstellungen, Zeugnisse),
  • Dienst- und Fachaufsicht über den Verwaltungsleiter oder die Verwaltungsleiterin und über die Abteilungsleiter und Abteilungsleiterinnen,
  • Projektplanung (Konzeption, Pflegesatzanträge, Gebäudeaquierierung, Ausstattung),
  • Akquirierung von Geldmitteln (Bußgelder, Spenden, Sponsoring),
  • Etatplanung und -überwachung,
  • Außenvertretung und Öffentlichkeitsarbeit,
  • Bewerbungs- und Aufnahmeplanung,
  • Moderation der Abteilungsleiter- und Abteilungsleiterinnenkonferenzen und die
  • Informationsweitergabe an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von „MOVE IT“.

8.2 Verwaltung

Der Leitung untersteht, im Sinne einer Stabsstelle (Abteilung), die Verwaltung von „MOVE IT“. Die Personal- und Finanzbuchhaltung wird an eine Steuerkanzlei, Schreibarbeiten werden an ein Schreibbüro delegiert.

Der Verwaltungsleiter oder die Verwaltungsleiterin ist den Abteilungsleitern und Abteilungsleiterinnen gleichgestellt und hat folgende Aufgaben:

  • Kassenführung, Kontoführung und Vorkontierung
  • Pflegesatzabrechnung und Abrechnung anderer aquirierter Geldmittel (Bußgelder, Spenden, Sponsoring)
  • Dienstplanauswertung sowie Abrechnung von Zuschlägen und Honoraren
  • Datenverwaltung und Statistik
  • Materialeinkauf
  • Dienst- und Fachaufsicht über einen Verwaltungsmitarbeiter oder eine Verwaltungsmitarbeiterin

Ein Verwaltungsmitarbeiter oder eine Verwaltungsmitarbeiterin hat folgende Zuständigkeit:

  • Posteingang und -ausgang
  • Schreibarbeiten
  • Ablage, Archiv und Bibliothek
  • Inventarsicherung
  • Allgemeine Verwaltung

8.3 Abteilungsleitung

Die einzelnen Projektteile (Initialphase, Erlebnisphase, Integrationsphase) werden jeweils von einem Abteilungsleiter oder einer Abteilungsleiterin koordiniert. Er oder sie vertritt die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf der Abteilungsleiter- und Abteilungsleiterinnenkonferenz und ist für die Umsetzung der Konzeption in dem entsprechenden Projektteil verantwortlich. Gleichzeitig ist er oder sie Dienst- und Fachvorgesetzter oder Dienst- und Fachvorgesetzte der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der jeweiligen Therapiephase und sorgt für die Vernetzung der einzelnen Therapieangebote.

8.4 Case-Teams

8.4.1 Initialphase

Die Mitarbeiter (zwei Diplom-Sozialpädagogen, zwei Diplom-Psychologen) und Mitarbeiterinnen (zwei Diplom-Sozialpädagoginnen, zwei Diplom-Psychologinnen) der Initialphase arbeiten jeweils in einem Fallteam und sind für die konkrete Betreuung der Klienten und Klientinnen in einem Haus verantwortlich. Der Abteilungsleiter oder die Abteilungsleiterin gehört einem Case-Team an (keine zusätzliche Planstelle), ist aber in allen wöchentlich stattfindenden Fallteamkonferenzen anwesend. Die einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Initialphase erhalten wöchentlich eine Stunde Supervision. Jedem Fallteam sind Honorarmitarbeiter und Honorarmitarbeiterinnen für die Nachtdienste zugeteilt.

8.4.2 Erlebnisphase

Alle in der Erlebnisphase tätigen Mitarbeiter (zwei Diplom-Sozialpädagogen, ein Erlebnistherapeut) und Mitarbeiterinnen (eine Diplom-Sozialpädagogin, zwei Erlebnistherapeutinnen) treffen sich vierteljährlich zu einer Fallteamklausur. Dort erhalten sie auch Supervision. Der Abteilungsleiter oder die Abteilungsleiterin gehört diesem Case-Team an (keine zusätzliche Planstelle).

8.4.3 Integrationsphase

Die 12 Diplom-Sozialpädagogen und Diplom-Sozialpädagoginnen betreuen weitestgehend selbständig ein Haus mit drei Klienten und Klientinnen. Der Abteilungsleiter oder die Abteilungsleiterin tut dies ebenfalls. Wöchentlich treffen sich alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieser Therapiephase zu einer Teamkonferenz und zur Supervision.

9 Finanzierung

Die mit diesem Personalschlüssel und dem verhältnismäßig hohen Aufwand für Reisekosten verbundene Höhe des Pflegesatzes, ist im Vergleich und in der Alternative zu einer Unterbringung in der Psychiatrie, einem Fach- oder Allgemeinkrankenhaus oder in einer JVA, vertretbar. Dabei unberücksichtigt bleibt der volkswirtschaftliche Schaden durch einen andauernden Rückfall, als Folge einer nichtbewältigten Krise und einer andauernden Überforderungssituation, in die Drogenabhängigkeit, Kriminalität und Prostitution. Darüber hinaus gewährleistet dieser Projektteil die adäquate Betreuung der beschriebenen Zielgruppe auf einem fachlich bedründeten Therapieansatz.

Grundlage der Finanzierung sind die Bestimmungen in §§ 39, 40, 72 BSHG und §§ 34, 35, 35a SGB VIII. Die unter dem Kapitel Zielgruppe beschriebenen Menschen gehören dem beschriebenen Personenkreis an.

Die Drogenhilfe Inntal wird im Juni 1995 einen vollstationären Pflegesatz bei dem Bezirk Oberbayern, für 72 stationäre Therapieplätze, bei „MOVE IT“ beantragen.

10 Evaluation

„MOVE IT“ verfügt über ein wissenschaftlich begründetes Therapiekonzept. Die Effektivität der Betreuung ist hinsichtlich struktureller und prozessualer Aspekte, der Personalausstattung, dem Ausbildungsstand der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, der Qualität und Quantität der angebotenen Betreuungs- und Therapieangebote sowie der Ergebnisse des Aufenthalts bei „MOVE IT“ überprüfbar. Als Maßnahme zur kontinuierlichen Qualitätssicherung der Betreuungs- und Therapieangebote wird eine summative und differentielle Evaluation der Konzeption und der Maßnahmen durchgeführt.

Damit kann die Qualität abgesichert und verbessert, sowie eine bedarfsgerechte, regelmäßige und den neuesten Erkenntnissen entsprechende Versorgung der Klienten und Klientinnen gewährleistet werden.

Der Einsatz einer eigens für die spezifischen Anforderungen von „MOVE IT“ erarbeiteten Basisdokumentation ermöglicht eine exakte anonymisierte Auswertung aller relevanter Klienten- und Klientinnendaten, der Krankheitsgeschichten, der Diagnosen, der Indikationsstellungen und der Maßnahmen sowie der mit der Entlassung einhergehenden Umstände. Daraus läßt sich erkennen, für welche Klienten und Klientinnen, welche Maßnahme zu welchem Ergebnis führt.

Die vorliegende Konzeption wird ständig weiterentwickelt, praxisnahe Erfahrungen können so kontinuierlich einbezogen werden. Die Konzeptevaluation beschäftigt sich mit der Betreuungsplanung, deren Umsetzung, dem Indikationsmodell sowie der Evaluation zentraler Konzepthypothesen und der Effektivität der gesamten Therapie.

Ein Leitfaden zur selektiven und adaptiven Indikation wird derzeit erarbeitet.

Eine katamnestische Studie über die Wirkungsweise und den Erfolg der Maßnahmen wird angestrebt. Um die geplante wissenschaftliche Begleitung strukturell, methodisch, fachlich und personell verantwortlich durchführen zu können, wird eine enge Kooperation mit einem anerkannten wissenschaftlichen Institut angestrebt, daß, falls die von uns beantragte Untersuchung akzeptiert und gefördert wird, ein präzises Untersuchungsprospekt entwickeln und vorlegen wird.

11 Trägerschaft

„MOVE IT“ wird unter der Trägerschaft des Vereins Drogenhilfe Inntal geführt. Ein Teil der Mitglieder des Vereins verfügt über jahrelange Erfahrungen in der Leitung von sozialtherapeutischen Rehabilitationseinrichtungen, in der Arbeit mit Drogenabhängigen sowie in der offenen und stationären Jugendhilfe. Sie haben seit langem die Notwendigkeit zusätzlicher Hilfsangebote für junge Drogenabhängige erkannt und haben hiermit ein begründetes Therapiekonzept für diese Zielgruppe vorgelegt.

Die Drogenhilfe Inntal wird in enger Kooperation mit anderen Einrichtungen und Trägern von Jugend- und Drogenhilfemaßnahmen zusammenarbeiten und dafür  Sorge tragen, daß „MOVE IT“ ein sinnvolles Glied in der Therapiekette für Drogenabhängige und in der Vernetzung von Jugendhilfemaßnahmen wird.

Diese Konzeption ist in der ersten Jahreshälfte 1995 entstanden. Am 19.05.1995 wurde der Verein „Drogenhilfe Inntal“ gegründet. Eine Woche später wurde von einem Notar die Eintragung in das Vereinsregister bei dem Amtsgericht Rosenheim beantragt. Das Finanzamt Rosenheim hat den Verein vorläufig als gemeinnützig anerkannt. Zur gleichen Zeit wurde die Mitgliedschaft bei der Arbeiterwohlfahrt und dem Fachverband Drogen und Rauschmittel beantragt.

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