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Therapeutische Gemeinschaft?

Was ist eine Therapeutische Gemeinschaft?

Die ersten Therapeutischen Gemeinschaften für Suchtkranke wurden Ende der 50er Jahre in den USA gegründet, in Deutschland entstanden sie Anfang der 70er Jahre. Ihr Konzept hat sich weltweit durchgesetzt und als eine der Erfolg versprechenden Formen der Suchttherapie erwiesen. Allerdings wird diese Therapieform in vielen Regionen Deutschlands durch eine verfehlte Suchtpolitik und eine rigide, bürokratische Suchtverwaltung behindert.

Der Therapieschwerpunkt Therapeutischer Gemeinschaften liegt in einer ausgeprägten Handlungsorientierung, die dem Patienten kaum Zeit zum Flüchten in Drogenphantasien oder in eine illusionäre Zukunft lässt. Der Grundgedanke ist die Hilfe zur Selbsthilfe. Therapeutische Gemeinschaften sind psychotherapeutisch und pädagogisch ausgerichtete Lebens- und Arbeitsgemeinschaften von Menschen mit ähnlichen psychischen Problemen. Die Gemeinschaften arbeiten auf Grundlage der Prinzipien Selbstverwaltung, Selbstversorgung und Selbstverantwortung. Den Patienten werden keine Aufgaben abgenommen, die sie auch selbst erledigen können.

Basis des therapeutischen Prozesses ist das soziale Lernen in einem lebensnahen, realitätsorientierten Handlungsfeld. Von besonderem Vorteil sind deshalb die baulich-räumlichen Gegebenheiten älterer Anwesen. Hier bieten sich immer wieder Möglichkeiten zur Verbesserung und Verschönerung, also zur kreativen Gestaltung des eigenen Lebensraumes. Ziel ist es, dass die Patienten bei der selbstbestimmten, aus eigenem Antrieb erfolgten Lösung alltäglicher Probleme ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln. Deshalb übernehmen sie im Verlauf der Behandlung wechselnde Funktionen in einer Verantwortungshierarchie, z. B. in der Küche, der Werkstatt oder in einem Koordinationsbüro. Durch die Übertragung von Verantwortung sollen Selbstbewusstsein, Selbsteinschätzung, Realitätssinn und Gemeinschaftsgefühl gefördert werden; dies ist im übrigen eine überaus anspruchsvolle psychotherapeutische Aufgabe.

Das Alltagsleben unterliegt therapeutischen Regeln, die Selbstdisziplin und Sozialverhalten fördern. Zu diesen Regeln zählen u.a. das Verbot des Konsums von Rauschmitteln, der Androhung bzw. Ausübung körperlicher Gewalt, des sexuellen Ausagierens und das Gebot zur aktiven Teilnahme an allen therapeutischen Maßnahmen sowie zum sparsamen Wirtschaften in Küche und Wertstatt. Durch das Einüben positiver Verhaltensweisen, kontrolliert auch von der Gruppe selbst, ist eine klare Orientierung an Werten beabsichtigt, die in der Gesellschaft als wichtig erachtet werden. Dadurch werden Rehabilitations- und berufliche Reintegrationsprozesse begünstigt. Ein wesentliches Charakteristikum Therapeutischer Gemeinschaften ist die Konfrontation mit problematischem Verhalten. Die Patienten sollen lernen, Konfrontation und Kritik anderer auf der Basis unbedingter persönlicher Wertschätzung ertragen und annehmen zu können. Der Lebensnerv Therapeutischer Gemeinschaften ist, sich - soweit es unter medizinischen, sozialen und psychologischen Gesichtspunkten möglich ist - selbst zu verwalten. Neben der Selbstverwaltung und -versorgung besitzt das Prinzip der Selbstkontrolle in der TG wesentliche Bedeutung. So achten zum Beispiel nicht nur das Team, sondern auch die Patienten darauf, dass die Einrichtung drogenfrei bleibt.

In der Therapeutischen Gemeinschaft werden zwar die gängigen, bewährten psychotherapeutischen Verfahren - z.B. Verhaltens- oder Gestalttherapie, Psychodrama und psychoanalytisch orientierte Gruppentherapie - eingesetzt, jedoch zum Teil erheblich modifiziert und den Besonderheiten Therapeutischer Gemeinschaften angepasst. Zu den wichtigsten Besonderheiten zählen die Realitäts- und Handlungsorientierung sowie die Hilfe zur Selbsthilfe. Es wird streng darauf geachtet, dass diese Methoden nicht zum Fremdkörper im Alltag der Therapeutischen Gemeinschaft werden. Der entscheidende therapeutische Faktor in einer Therapeutischen Gemeinschaft ist nämlich - wie der Name schon sagt - das Gemeinschaftsleben selbst. Die traditionellen psychotherapeutischen Methoden haben hier nur eine untergeordnete, eine dienende Funktion. Sie sollen die therapeutische Wirkung des Gemeinschaftslebens verstärken.

Unglücklicherweise findet die Therapeutische Gemeinschaft unter professionellen Helfern viel zu wenig Fürsprecher, da sie in besonderem Maße die Selbsthilfe fördert. Möglicherweise befürchten diese Helfer, durch zuviel Selbsthilfe überflüssig zu werden. Dabei ist die Hilfe zur Selbsthilfe eine Kunst, die höchste Professionalität voraussetzt.

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