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Sucht und Persönlichkeitsstörung

Die Diagnose von Abhängigkeit und Persönlichkeitsstörung

Adäquate Hilfsangebote für DrogengebraucherInnen zu erschließen (Indikationsstellung) setzt die genaue Diagnose der vorhandenen Störung voraus. Viele KlientInnen leiden nicht „nur" an einer Abhängigkeitsproblematik sondern darüber hinaus an einer Persönlichkeitsstörung. Die Beschreibung dieses Grenzbereichs ist besonders schwierig. Für die Praxis sollen daher notwendige klinische Standards und diagnostische Leitlinien vorgestellt und anhand von Fallbeispielen erläutert werden.

Literatur

Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10, Kapitel V (F), klinisch-diagnostische Leitlinien, Weltgesundheitsorganisation. Hrsg. von H. Dilling u. a.. - Bern; Göttingen; Toronto: Huber 1991 (ISBN 3-456-82039-9) sowie

Diagnostische Kriterien und Differentialdiagnosen des Diagnostischen und Statistischen Manuals psychischer Störungen DSM-IV. - Göttingen, u.a.: Hogrefe, 1996 (ISBN 3-8017-0810-1)

Diagnose und Indikationsstellung

Die Individualisierung der Drogenhilfe und deren Angebote ist in den letzten Jahren oft diskutiert worden. Im Laufe der Zeit hat sich eine Vielzahl von differenzierten Hilfsangeboten etabliert. Heute kann bei der Indikationsstellung nicht mehr lediglich zwischen ambulanter Betreuung und stationärer Langzeittherapie gewählt werden. Zahlreiche ambulante, teilstationäre und stationäre Betreuungs- und Behandlungsformen bieten sich an.

Hintergrund dieser Individualisierung ist die Annahme, dass bei Drogenabhängigen keine gemeinsame Grundstörung festzustellen ist. Dies führte zu einer differenzierten Betrachtungsweise der Symptomatik von Drogenabhängigen. Die Professionalisierung der Drogenhilfe brachte die Expansion und die Profilierung der therapeutischen Einrichtungen mit sich. Öffentliche Modellprojekte konnten die Differenzierung des Angebots weiter verstärken. Die Differenziertheit der therapeutischen Angebote ist als Voraussetzung für deren Individualisierung anzusehen.

Erwartet werden neben einer Kostensenkung vor allem bessere Behandlungsergebnisse und weniger unerwünschte „Nebenwirkungen" (Hospitalisierung, einrichtungsbezogene Abhängigkeiten etc.) im Sinne der therapeutischen Wirksamkeit. Um diese Erwartungen erfüllen zu können, müssen individuelle Klienten- und Klientinnenmerkmale, die für den späteren Therapieerfolg relevant sind, erkannt werden. Zum anderen müssen sich therapeutische Maßnahmen und Angebote, in für den Therapieerfolg maßgeblichen Punkten, unterscheiden. Darüber hinaus sind Indikationskriterien unerlässlich, die eine optimale Verknüpfung von bestimmten Klienten-, Klientinnen- und Therapiemerkmalen erlauben. Letztlich sind die Diagnostik, die Differenzierung der Angebote und die Indikationsstellung Schlüssel zur effektiven Nutzung der Drogenhilfe. Die Symptomatik der individuellen Abhängigkeit lässt sich anhand der betroffenen Lebensbereiche und Erlebensmodalitäten sowie der Intensität und Veränderungsbereitschaft (Motivation) differenzieren. Darüber hinaus sind frühere Abstinenzversuche und Rückfälle, die Kompetenz und Bereitschaft zur aktiven Krankheits- und Problembewältigung, die aktive Suche nach Hilfe und Unterstützung, die Veränderungsbereitschaft und persönliche Zielsetzungen sowie die Unterstützung oder Behinderung durch die persönliche Umwelt bei der individuellen Diagnostik von Bedeutung.

Dies beinhaltet ein genaues Abklären der sozialen, psychischen, physischen und finanziellen Situation mit Biographie und Anamnese. Im alltäglichen Leben, in den Einzel- und Gruppengesprächen, in den Arbeitsprojekten und im Freizeitverhalten werden die individuelle Struktur, die Fähigkeiten und Defizite der Klienten und Klientinnen deutlich. Dabei interessiert besonders, inwieweit wichtige Ich-Funktionen, wie Realitätsprüfung, Affekt- und Impulskontrolle, Frustrationstoleranz, Realitätssinn und Bewältigungskompetenzen noch intakt sind, da diese die Grundlage des gemeinsamen Arbeitsbündnisses bilden. Das Ausmaß der Schädigung des Selbstwertgefühls gibt Aufschlüsse über die Kränkbarkeit und Schamanfälligkeit, die Selbstschädigung gibt Informationen über die Struktur des Über-Ichs und der Schuldgefühlsspannung in der Abstinenz. Die spezifische Abwehr  zeigt das Organisationsniveau des Klienten oder der Klientin und auch die Stellen, wo besonders behutsam vorgegangen werden muss. Die Betreuungsangebote lassen sich nach dem zugrunde liegenden Menschenbild, der Organisationsform, der Dauer, der Auswahl der therapeutischen Maßnahmen und der Art der Nachbetreuung unterscheiden. Zudem sind geschlechtsspezifische Maßnahmen, die Intensität und Individualität der Angebote, die Eigenbeteiligung und die Mitsprachemöglichkeit der Klienten und Klientinnen, der Umgang mit Rückfällen, die Beschäftigung mit Abbrüchen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen bei der Wahl der erfolgversprechensten Therapieform von Bedeutung.

Um zusammen mit den Klienten und Klientinnen eine angemessene Weiterbehandlung zu planen, ist es wichtig, Bezüge zwischen Psychopathologie, Persönlichkeitsstruktur und Psychogenese auf der einen und eines möglichen Therapie- oder Beratungssettings auf der anderen Seite herzustellen. Die selektive Indikationsstellung als Entscheidung zwischen unterschiedlichen Therapiealternativen erscheint vor Beginn einer Therapie problematisch. Durch das sukzessive Hinzufügen von therapeutischen Maßnahmen kann die Indikation adaptiv gestellt werden. Dies bietet den Vorteil, dass solche Entscheidungen bei jedem Klienten und bei jeder Klientin wiederholt getroffen werden müssen. Der Prozesscharakter dieser Entscheidungsabläufe wird hier besonders deutlich. Die Indikationsstellung darf kein einmaliger Vorgang außerhalb der therapeutischen Maßnahme sein, sie muss vielmehr ein systematisierter Entscheidungsprozeß unter Berücksichtigung allen vorhandenen Wissens über die Klienten und Klientinnen und über die möglichen Angebote der Drogenhilfe sein. Trotz allem müssen Entscheidungen unter suboptimaler Kenntnislage getroffen werden.

Erläuterungen zum ICD-10 und DSM-IV

ICD-10  Kapitel V (F)

In den letzten drei Jahrzehnten bemühte sich die Abteilung für psychische Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) um die Verbesserung der Diagnostik und der Klassifikation psychischer Störungen. Die jetzt vorliegende veröffentlichte Version der klinisch-diagnostischen Leitlinien stellt einen großen diesbezüglichen Fortschritt dar. Mit ihr ist die Hoffnung verbunden, dass eine international verwendete Klassifikation und Sprache die Behandlung von Personen mit psychischen Störungen oder Drogenproblemen verbessert.

Der Begriff „Störung" wird in der gesamten Klassifikation verwendet, um den problematischen Gebrauch von Ausdrücken wie „Krankheit" oder „Erkrankung" weitgehend zu vermeiden. „Störung" ist kein exakter Begriff; seine Verwendung soll einen klinisch erkennbaren Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffälligkeiten anzeigen, der immer auf der individuellen und oft auch auf der Gruppen- oder sozialen Ebene mit Belastungen und mit Beeinträchtigungen von Funktionen verbunden ist.

Für jede Störung werden wesentliche klinische Charakteristikas beschrieben. Die diagnostischen Leitlinien geben dann die Anzahl und die Gewichtung der Symptome an, die zur Stellung einer sicheren Diagnose erforderlich sind. Falls die in den diagnostischen Leitlinien beschriebenen Voraussetzungen vollständig erfüllt sind, kann die Diagnose als „sicher" betrachtet werden. Sofern die Voraussetzungen nur teilweise erfüllt sind, die noch fehlenden Informationen aber wahrscheinlich ergänzt werden können, kann der Begriff „vorläufig", für den Fall, dass weitere Informationen nicht eingeholt werden können, der Begriff „Verdacht auf" verwendet werden.

Die Klassifikation einer Störung erfolgt durch einen fünfstelligen Kode. Die erste Stelle beschreibt das entsprechende Kapitel im ICD-10, die zweite die übergeordnete Kategorie und die weiteren eine konkrete Störung und deren Differenzierung.

Um eine Diagnose nach Kapitel V (F) der ICD-10 zu verschlüsseln, soll sowohl die Kodenummer, als auch die ausgeschriebene Diagnose notiert werden.

Die Einteilung des Abschnittes über psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen unterscheidet sich von den anderen dadurch, dass die betreffende psychotrope Substanz mit der dritten und die Störung selbst mit der vierten und fünften Stelle gekennzeichnet wird.

Bei dem Versuch, genaue Leitlinien und diagnostische Kriterien für die Persönlichkeitsstörungen festzulegen, wird der Unterschied zwischen Beobachtung und Interpretation besonders deutlich.

Die Beschreibung eines klinischen Bildes erfordert häufig die Verschlüsselung mehrere Diagnosen, wobei zwischen einer Haupt- und Neben- bzw. Zusatzdiagnose unterschieden wird. Priorität sollte die Diagnose erhalten, der die größte aktuelle Bedeutung zukommt und häufig zum Kontakt mit der betreffenden Institution und damit zur ambulanten, teilstationären oder stationären Behandlung geführt hat.

DSM-IV

Das diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen stellt diagnostische Kriterien und klare Beschreibungen diagnostischer Kategorien zur Verbesserung der Zuverlässigkeit diagnostischer Urteile bereit. Damit kann das Vorhandensein oder Fehlen spezifischer Symptome festgestellt und dies als Kriterium für die Diagnosestellung verwendet werden .

Der Gebrauch dieses Manuals setzt die multiaxiale Beurteilung jedes Einzellfalls voraus. Dabei werden unterschiedliche Informationen über einen Klienten auf fünf „Achsen" dargestellt und somit sichergestellt, dass allen wesentlichen Aspekten bei der Beurteilung gleiche Aufmerksamkeit gewidmet wird.

Mehrfachdiagnosen können, um den gegenwärtigen Zustand zu beschreiben, gestellt werden. Dabei gilt diejenige als Hauptdiagnose (Vermerk), die Anlass zur Aufnahme war. Diagnostische Unsicherheiten können durch den Zusatz (vorläufig), der Grad der diagnostischen Sicherheit kann durch verschiedene Optionen (S. 51, DSM-IV) gekennzeichnet werden.

Die derzeitige Schwere jeder einzelnen Störung kann nach der Diagnosestellung unter Verwendung der Begriffe „leicht", „mittel", „schwer", „teilremittiert", „vollremittiert" oder „in der Vorgeschichte“ bestimmt werden. Die Beurteilung bezieht sich dabei auf jede aus der Störung resultierenden Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit und der gewohnten sozialen Aktivitäten oder Beziehungen.

Die Achse I stellt die Klassifikation der psychischen Störung, der klinischen Syndrome und Störungen sowie der Entwicklungsstörungen dar.

Auf Achse II werden Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen aufgeführt und können spezifische Persönlichkeitszüge oder bestimmte Abwehrmechanismen vermerkt werden.

Alle bestehenden körperlichen Störungen, die für die Behandlung des Klienten wichtig sind, können auf Achse III beschrieben werden.

Psychosoziale und umweltbezogene Belastungsfaktoren, die im Jahr vor der Beurteilung zum Ausbruch einer neuen, zum Widerauftreten einer früheren oder zur Verschlimmerung einer bereits bestehenden psychischen Störung beigetragen haben, können auf Achse IV dargestellt werden. Die spezifischen Belastungsfaktoren in der Reihenfolge ihrer Bedeutung beschrieben werden. Dabei kann auf relevante Typen von psychosozialen Belastungsfaktoren Bezug genommen werden.

Die Achse V erlaubt, über die Einschätzung des psychosozialen Funktionsniveaus bzw. der sozialen Anpassung, eine Gesamtbeurteilung der psychischen Gesundheit. Dabei findet die Global Assessment of Functioning Scale Anwendung (S. 40ff, DSM-IV). Die Beurteilung des derzeitigen Funktionsniveaus gibt über den Behandlungs- bzw. Betreuungsbedarf, des höchsten Niveaus der psychosozialen Anpassung im letzten Jahr über die Prognose hinsichtlich des zu erreichenden Niveaus nach der Remission Aufschluss.

Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen

Unter dem Oberbegriff „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen" sind verschiedene Störungen beschrieben, deren Schweregrad von einer unkomplizierten Intoxikation und schädlichen Gebrauch bis zu einem Abhängigkeitssyndrom mit ständigem Substanzgebrauch reicht.

Diagnostische Leitlinien

Die Identifikation der verwendeten psychotropen Substanzen, die durch die dritte Stelle der Kodierung gekennzeichnet wird, beruht meist auf Angaben des Klienten, sollte aber wenn möglich aus mehreren Quellen Bestätigung finden.

Viele Konsumenten nehmen mehrere Substanzen zu sich, die Diagnose sollte sich dennoch auf den wichtigsten Stoff beziehen. Gegebenenfalls können mehrere gleichlautenden Diagnosen in Bezug auf unterschiedliche Stoffgruppen gestellt werden. Nur wenn die Substanzaufnahme chaotisch und wahllos verläuft, oder wenn Bestandteile verschiedener Substanzen untrennbar vermischt sind, ist die Kodierung F19 (multipler Substanzgebrauch) zu wählen.

Akute Intoxikation

Eine akute Intoxikation und ein Erstkonsum von Drogen lässt sich als vorübergehendes Zustandsbild nach Aufnahme von Substanzen mit Störungen oder Veränderungen der körperlichen, psychischen oder Verhaltensfunktionen und -reaktionen unter der Klassifikation F1X.0 diagnostizieren.

Zwischen der Schwere der Intoxikation und der aufgenommenen Dosis muss ein enger Zusammenhang bestehen. Die akute Intoxikation ist ein vorübergehender Zustand. Das Ausmaß der Vergiftung wird nach und nach geringer und die Symptome verschwinden ohne erneute Substanzzufuhr nach einiger Zeit vollständig.

Die Diagnose einer akuten Intoxikation kann hinsichtlich begleitender Komplikationen weiter differenziert werden. So kann eine unkompliziert verlaufende akute Intoxikation unter F1X.00, eine akute Intoxikation die mit Wahrnehmungsstörungen einhergeht hingegen unter F1X.04 kodiert werden.

Schädlicher Gebrauch

Die Diagnose „schädlicher Gebrauch" nach der Klassifikation F1X.1 beschreibt ein Konsumverhalten, dass zu körperlichen und psychischen Störungen und somit insgesamt zu einer Gesundheitsschädigung führt. In der Praxis lassen sich Klienten, die gelegentlich psychotrope Substanzen konsumieren und häufig mit dem Begriff „drogengefährdet" stigmatisiert werden, gut mit dieser Diagnose beschreiben. Eine tatsächliche Schädigung der psychischen oder physischen Gesundheit muss hierbei immer gegeben sein.

Abhängigkeitssyndrom

Ein Abhängigkeitssyndrom, dass mit körperlichen Verhaltens- und kognitiven Phänomenen, bei denen der Konsum von Drogen Vorrang gegenüber anderen Verhaltensweisen hat, einhergeht, lässt sich unter der Klassifikation F1X.2 beschreiben. Das wesentliche Charakteristikum des starken, gelegentlich übermächtigen Wunsches Substanzen zu konsumieren muss vorliegen.

Die Diagnose „Abhängigkeitssyndrom" kann nur gestellt werden, wenn im Laufe des letzten Jahres mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt wurden:

Starker Wunsch oder eine Art Zwang, Substanzen zu konsumieren

Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Substanzkonsums

Substanzgebrauch, mit dem Ziel, Entzugssymptome zu mildern, und der entsprechenden positiven Erfahrung

Ein körperliches Entzugssyndrom

Nachweis einer Toleranzentwicklung

Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit der entsprechenden Substanz.

Fortschreitendes Vernachlässigen anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums.

Anhaltender Substanzkonsum trotz Nachweis eindeutiger schädlicher Folgen körperlicher, sozialer und psychischer Art

Die Diagnose „Abhängigkeitssyndrom" lässt sich über die fünfte Stelle der Klassifikation näher beschreiben. So kann unter F1X.20 ein Abhängigkeitssyndrom unter gegenwärtiger Abstinenz und unter F1.26 eines mit episodischem Substanzgebrauch beschrieben werden.

Entzugssyndrom (mit Delir)

Ein Entzugssyndrom kann unter der Klassifikation F1X.3 diagnostiziert werden. Dabei handelt es sich um einen Symptomkomplex von unterschiedlicher Intensität, bei absolutem oder relativem Entzug einer über einen längeren Zeitraum konsumierten psychotropen Substanz.  Die physischen Symptome sind substanzspezifisch verschieden, psychische Störungen wie Angst, Depression oder Schlafstörungen kommen hinzu. Das Entzugssyndrom ließe sich über eine erneute Substanzzufuhr mildern. Ein Entzugssyndrom mit Delirium tremens ist mit F1X.4 zu kodieren. Die Diagnose „Entzugssyndrom" kann durch den Zusatz „ohne Komplikationen" oder „mit Krampfanfällen" differenziert werden.

Psychotische Störung

Psychotische Störungen die während oder unmittelbar nach dem Substanzgebrauch auftreten und durch lebhafte Halluzinationen, Personenverkennungen und durch Wahn- oder Beziehungsideen gekennzeichnet sind, können unter F1X.52 kodiert werden. Weitere psychomotorische Störungen und abnorme Affekte können auftreten. Eine psychotische Störung durch psychotrope Substanzen klingt innerhalb eines, spätestens jedoch nach sechs Monaten vollständig ab.

Dabei kann es sich jedoch auch um akute Intoxikationen mit einhergehenden Wahrnehmungsstörungen handeln. Eine genaue Diagnose ist hier häufig nicht möglich.

Das psychotische Zustandsbild kann u.a. durch den Zusatz „wahnhaft", „halluzinatorisch" oder „depressiv" näher beschrieben werden.

Bedingter Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung

Substanzbedingte Veränderungen der kognitiven Fähigkeiten, des Affekts, der Persönlichkeit oder des Verhaltens die über den Zeitraum der Substanzwirkung hinausgehen werden als durch psychotrope Substanzen bedingter Restzustand und verzögert auftretende psychotische Störung diagnostiziert und unter F1X.7 kodiert.

Die fünfte Stelle der Kodierung ermöglicht die weitere Unterteilung dieser Kategorie u.a. in die Diagnose „Nachhallzustände", „Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung" oder „verzögert auftretende substanzbedingte psychotische Störung".

Persönlichkeits- und Verhaltensstörung

Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung beschreibt meist lang anhaltende Zustandsbilder und Verhaltensmuster, die Ausdruck des charakteristischen, individuellen Lebensstils sowie des Verhältnisses zur eigenen Person und zu anderen Menschen sind und mehrere Bereiche der Persönlichkeit betrifft. Dabei kann, gegenüber der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung, eine deutliche Abweichung im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in Beziehungen zu anderen in Form anhaltend starrer und tief verwurzelter Verhaltensmuster, die mit persönlichen und sozialen Beeinträchtigungen einhergehen, festgestellt werden.

Diagnostische Leitlinien

Die Zustandsbilder werden nach den vorherrschenden Verhaltensweisen klassifiziert und sind nicht direkt auf Hirnschädigungen oder -krankheiten oder auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen.

Das abnorme Verhaltensmuster ist tief greifend und andauernd, nicht auf Episoden psychischer Störungen begrenzt, in vielen persönlichen und sozialen Situationen eindeutig unpassend und durch deutliche Unausgeglichenheit in den Einstellungen und im Verhalten in mehreren Funktionsbereichen wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, Wahrnehmen und Denken sowie in den Beziehungen zu anderen gekennzeichnet.

Die Störung beginnt in der Kindheit oder in der Jugend und manifestiert sich auf Dauer im Erwachsenenalter. Sie führt, manchmal erst im späteren Verlauf, zu deutlichem subjektiven Leiden und ist meistens mit deutlichen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit, der sozialen Anpassung und mit anderen subjektiven Beschwerden verbunden.

Paranoide Persönlichkeitsstörung

Die paranoide Persönlichkeitsstörung ist durch eine, in den verschiedensten Situationen auftretende, durchgängige und ungerechtfertigte Neigung, die Handlungen anderer Menschen als absichtlich erniedrigend oder bedrohlich zu interpretieren, gekennzeichnet.

Die Diagnose „Paranoide Persönlichkeitsstörung" setzt voraus, dass der Betreffende sich  - ohne ausreichenden Grund - von anderen ausgenutzt oder benachteiligt fühlt, die Loyalität oder Glaubwürdigkeit von Freunden oder Mitarbeitern grundlos in Zweifel zieht, harmlosen Bemerkungen oder Vorkommnissen eine versteckte, für ihn abwertende oder bedrohliche Bedeutung zumisst, lange einen Groll gegen andere hegt oder Missachtungen, Beleidigungen oder verletzenden Äußerungen nicht vergibt, sich, aus ungerechtfertigter Angst, die Information könnte gegen ihn verwendet werden, nur zögernd anderen Menschen anvertraut, sich leicht missachtet fühlt und schnell zornig reagiert oder einen Gegenangriff startet und ohne jeden Grund die Treue des Ehe- oder Sexualpartners bezweifelt.

Schizoide Persönlichkeitsstörung

Bei dieser Störung tritt ein durchgängiges, durch Gleichgültigkeit gegenüber sozialen Beziehungen und eine eingeschränkte emotionale Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit gekennzeichnetes Verhaltensmuster auf.

Der Betroffene hat weder den Wunsch nach, noch die Freude an engen sozialen oder familiären Beziehungen, sucht sich fast immer Unternehmungen aus, die er allein machen kann, gibt von sich an, scheint nur selten oder gar nicht starke Emotionen wie Zorn und Freude zu empfinden, zeigt , wenn überhaupt, nur wenig Interesse an sexuellen Kontakten mit anderen Personen, ist gleichgültig gegenüber Lob und Kritik von Seiten anderer, hat keine engen Freunde und Vertrauten - oder höchstens eine Person - außer aus dem Kreis seiner Verwandten ersten Grades und lässt einen eingeschränkten Affekt erkennen.

Schizotypische Persönlichkeitsstörung

Hauptmerkmale dieser Störung sind Eigentümlichkeiten im Bereich der Vorstellungen, der äußeren Erscheinung, des Verhaltens sowie Mängel in den zwischenmenschlichen Beziehungen.

Diagnostisch sind folgende Kriterien relevant: Beziehungsideen, extreme soziale Ängstlichkeit, seltsame Glaubensinhalte, magisches  Denken, ungewöhnliche Wahrnehmungen, seltsames oder exzentrisches Verhalten und äußeres Erscheinungsbild, keine engen Freunde oder Vertraute , eigenartige Sprache, inadäquaten oder eingeschränkten Affekt sowie Argwohn und paranoide Vorstellungen.

Antisoziale Persönlichkeitsstörung

Eine antisoziale Persönlichkeitsstörung darf nur diagnostiziert werden wenn der Betreffende mindestens 18 Jahre alt ist und Anzeichen einer Störung des Sozialverhaltens schon vor Vollendung des 15. Lebensjahres vorlagen. Dabei ist bedeutsam, dass der Betroffene oft die Schule geschwänzt hat, mindestens zweimal über Nacht von zu Hause fort lief, häufig Schlägereien anzettelte, eine Waffe benutzte, eine andere Person zu sexuellem Kontakt zwang, Tiere oder andere Personen quälte, vorsätzlich fremdes Eigentum zerstörte, Feuer legte, häufig log und mehr als einmal gestohlen hat.

Seit dem 15. Lebensjahr muss zudem ein Muster von verantwortungslosem und antisozialem Verhalten nach folgenden Kriterien auffällig sein. Unfähigkeit eine dauerhafte Tätigkeit auszuüben, sich an rechtliche Normen der Gesellschaft anzupassen, finanzielle Verpflichtungen einzuhalten, monogame Beziehungen länger als ein Jahr zu führen, Gewissensbisse zu erleben, als Elternteil oder Erziehungsberechtigter verantwortungsvoll zu handeln und vorausschauend zu planen. Zudem werden wiederholt antisoziale Handlungen, die einen Grund für eine Festnahme darstellen, begangen. Der Betreffende ist reizbar, aggressiv, rücksichtslos und impulsiv und hat ein mangelndes Wahrheitsempfinden. 

Borderline Persönlichkeitsstörung

Ein durchgängiges Muster von Instabilität im Bereich der Stimmung, der zwischenmenschlichen Beziehungen und des Selbstbildes kann unter der Diagnose „Borderline Persönlichkeitsstörung" beschrieben werden. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter, die Störung manifestiert sich in den verschiedensten Lebensbereichen und ist durch instabile, aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen, Impulsivität bei mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Aktivitäten, Instabilität im affektiven Bereich, übermäßig starke Wut oder Unfähigkeit die Wut zu kontrollieren, wiederholte Suiziddrohungen, -andeutungen oder -versuche oder andere selbstverstümmelnde Verhaltensweisen, chronisches Gefühl der Leere oder Langweile sowie durch das  verzweifelte Bemühen, ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern, gekennzeichnet. Zudem liegt eine ausgeprägte und andauernde Identitätsstörung, die sich in Form von Unsicherheit bezüglich des Selbstbildes, der sexuellen Orientierung, der langfristigen Ziele oder Berufswünsche, der Art der Freunde oder Partner und in den persönlichen Wertvorstellungen manifestiert, vor.

Histrionische Persönlichkeitsstörung

Die Diagnose „Histrionische Persönlichkeitsstörung" beschreibt ein durchgängiges Muster übermäßiger Emotionalität und ein übermäßiges Verlangen nach Aufmerksamkeit.

Der Betroffene verlangt ständig von anderen Bestätigung, Anerkennung und Lob, ist  übertrieben attraktiv und verführerisch im Äußeren und im Gehabe, ist übertrieben besorgt um sein Äußeres, zeigt rasch wechselnde, oberflächliche und übertriebene Emotionen, ist stark  egozentrisch und hat einen übertriebenen impressionistischen  Sprachstil.

Narzisstische Persönlichkeitsstörung

Großartigkeit in Phantasie oder Verhalten, Mangel an Einfühlungsvermögen und Überempfindlichkeit gegenüber der Einschätzung durch andere kennzeichnen die narzisstische Persönlichkeitsstörung. Kritik wird mit Wut, Scham oder Demütigung abgewehrt, zwischenmenschliche Beziehungen werden ausgenutzt und das Selbstwertgefühl wird übertrieben dargestellt. Der Betreffende ist häufig der Ansicht, dass seine Probleme einzigartig sind und dass er nur von besonderen Menschen verstanden werden könne. Er beschäftigt sich ständig mit Fantasien grenzenlosen Erfolges, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe, legt ein Anspruchsdenken an den Tag, verlangt nach ständiger Aufmerksamkeit und Bewunderung, zeigt einen Mangel an Einfühlungsvermögen und ist innerlich sehr stark mit Neidgefühlen beschäftigt.

Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung

Menschen, die unter einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung leiden empfinden häufig soziales Unbehagen, sind schüchtern und haben Angst vor negativer Beurteilung durch andere. Sie sind durch Kritik oder Ablehnung leicht zu verletzen, haben enge Freunde oder Vertraute häufig nur aus dem Kreis ihrer Verwandten ersten Grades, gehen keine Beziehungen ein, sofern sie sich nicht sicher sind akzeptiert zu werden, vermeiden soziale oder berufliche Aktivitäten, bei denen engere zwischenmenschliche Beziehungen geknüpft werden, zeigen sich in Gesellschaft zurückhaltend, aus Angst etwas unpassendes oder Dummes zu sagen oder eine Frage nicht beantworten zu können, befürchten durch Erröten, Weinen oder durch Anzeichen von Angst in Verlegenheit zu geraten und übertreiben potentielle Probleme, körperliche Gefahren oder Risiken.

Dependente Persönlichkeitsstörung

Abhängiges oder unterwürfiges Verhalten kennzeichnet die Diagnose einer depedenten Persönlichkeitsstörung. Der Betroffene ist unfähig, alltäglich Entscheidungen zu treffen, ohne ständig den Rat anderer einzuholen oder seine Entscheidungen billigen zulassen. Er lässt andere die wichtigsten Entscheidungen für sich treffen,  pflichtet anderen stets bei, übernimmt Tätigkeiten die für ihn unangenehm oder erniedrigend sind, um die Zuneigung anderer zu gewinnen, fühlt sich alleine meist unwohl und hilflos und vermeidet dies  nach Möglichkeit, ist am Boden zerstört oder hilflos wenn enge Beziehungen in die Brüche gehen, hat gewöhnlich Angst davor verlassen zu werden und ist bei Kritik oder Ablehnung leicht zu verletzen. Jegliche Eigeninitiative oder Eigenaktivitäten sind erschwert.

Zwanghafte Persönlichkeitsstörung

Perfektionismus und Starrheit können auf eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung hinweisen. Folgende diagnostische Kriterien sind hierbei wichtig: Nichterfüllung von Aufgaben durch Streben nach Perfektion, übermäßige Beschäftigungen mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation oder Plänen, so dass die Hauptsache dabei verloren geht, unmäßiges Beharren darauf, dass die eigenen Arbeits- und Vorgehensweisen übernommen werden müssen, unvernünftiger Widerwille dagegen, anderen Tätigkeiten zu überlassen, aus Überzeugung, dass diese nicht korrekt ausgeführt werden, Arbeit und Produktivität werden über Vergnügungen und zwischenmenschliche Beziehungen gestellt, Unentschlossenheit, übermäßige Gewissenhaftigkeit, Besorgtheit und Starrheit gegenüber allem, was Moral, Ethik oder Wertvorstellungen betrifft, eingeschränkter Ausdruck von Gefühlen, mangelnde Großzügigkeit hinsichtlich Zeit, Geld oder Geschenken, sofern kein persönlicher Vorteil zu erwarten ist und Unfähigkeit, sich von verschlissenen oder wertlosen Dingen zu trennen, selbst wenn diese keinen Gefühlswert besitzen.

Passiv-aggressive  Persönlichkeitsstörung

Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörungen sind durch den passiven Widerstand gegenüber Forderungen nach angemessener Leistung im sozialen und beruflichen Bereich gekennzeichnet. Dabei startet der  Betroffene Verzögerungsmanöver, wird mürrisch, reizbar oder streitsüchtig, wenn von ihm etwas verlangt wird, was er nicht tun möchte. Er arbeitet scheinbar vorsätzlich langsam oder macht die Arbeit schlecht, die er nicht tun möchte, beschwert sich ohne Grund, dass andere unsinnige Forderungen an ihn stellen, vermeidet die Erfüllung von Pflichten mit der Behauptung sie „ vergessen" zu haben, glaubt , seine Tätigkeiten besser auszuüben, als andere es glauben, nimmt anderen nützlich Vorschläge zur Steigerung seiner Produktivität übel, behindert die Bemühungen anderer, in dem er seinen Arbeitsbeitrag nicht leistet und reagiert mit unmäßiger Kritik oder Verachtung auf Autoritätspersonen.

Andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen

Neben den oben beschriebenen spezifischen Persönlichkeitsstörungen gibt es noch weitere unspezifische Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen. So können anhand der ICD-10 kombinierte Persönlichkeitsstörungen, andauernde Persönlichkeitsänderungen, abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle, Störungen der Geschlechtsidentität und der Sexualpräferenz, psychische und Verhaltensstörungen in Verbindung mit der sexuellen Entwicklung und Orientierung sowie andere Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen diagnostiziert werden.

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